Am Wochenende am Niederrhein

Kurzer Hinweis, gleichzeitig dringende Empfehlung:

Am Sonntag ist Hoffest auf dem Lenßenhof in Mönchengladbach-Odenkirchen. Wer bisher noch nie da war und den meiner unbescheidenen Meinung nach wahrscheinlich besten Gemüsebauern am Niederrhein nicht kennt, sollte diese Gelegenheit nutzen. Alles bio, erstklassige Produktqualitäten, viele alte Gemüse und gute Genüsse. Feldführungen inklusive. Alle Details zur Veranstaltung lassen sich auf der entsprechenden Facebookseite nachlesen.

Ein Ausflug dorthin ließe sich prima mit einer kulinarischen Stippvisite hier verbinden. Ja, richtig geklickt und gelesen: Der bisher beste Kölner Mittagstisch vom Produktfetischisten und Weltenbummlerkoch Cristiano Rienzner hat jetzt eine Dependance in Mönchengladbach-Neuwerk. Irre genug: In dieser Stadt, für die das Attribut „kulinarische Diaspora“ wahrscheinlich erfunden wurde, noch dazu in den Räumlichkeiten eines ehemaligen Ausflugslokals aka Familienfesthölle (regional bekannt als Abtshof) wird nun solches an die Tische gebracht:

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Und dies vielleicht:

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Wie gesagt: irre. Ich werde ausführlich berichten, kommende Woche. Bis dahin freue ich mich nur.
(Beide Fotos wurden gestern im Kölner Stammhaus des PW aufgenommen.)


Gemüse des Monats: Bundknoblauch (3)

Jedes Jahr im April ist der Bundknoblauch eine der ersten Gemüsepflanzen, die auf den Feldern des Lenßenhofs in Mönchengladbach-Odenkirchen geerntet werden. Biobauer Joachim Kamphausen ist einer der ganz wenigen in Deutschland, die diese würzige Pflanze anbauen und vermarkten. Zum Glück – denn das Grün der jungen Knoblauchpflanze ist mild im Geschmack und ähnelt nicht nur optisch den Frühlingszwiebeln. Neben der leichten Schärfe und dem feinen Knoblaucharoma ist seine knackigfrische Konsistenz eine eindeutige Frühlingsbotschaft. Er bereichert, fein geschnitten, jeden Salat. Wird der Knoblauch mitgegart, entwickelt er lauchähnliche Nuancen und gibt schwereren Komponenten wie z.B. Hülsenfrüchten eine beschwingte Leichtigkeit.

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Man sieht der jungen Knoblauchpflanze an, dass sie eng mit dem Porree verwandt ist. Und nicht nur optisch ist sie der Lauchzwiebel zum Verwechseln ähnlich. Daher verwundert es nicht, dass Allium sativum  zur Gattung Lauch (allium) gehört. Mitunter wird er im Handel als so genannter “Chinesischer Schnittlauch” angeboten, auch “Knoblauch-Schnittlauch” genannt. Doch handelt es sich dabei um eine andere Unterart (Allium tuberosum), die rundliche Blätter ausbildet und etwas fester ist als der Bundknoblauch. Nur aus letzterem entwickeln sich jedoch die eigentlichen Knoblauchknollen, später – ließe man sie denn wachsen.

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Gegart genossen ist der Bundknoblauch genauso zart schmelzend wie aromatisch tief. Auf asiatische Weise gedämpft ist er eine leichte Delikatesse. Wuchtiger, aber eben auch ungleich komplexer, kommt er nach einem ausgiebigen Sahnebad daher. Überhaupt ist Kochen mit Sahne eine völlig zu Unrecht verteufelte Zubereitungsart. Ich glaube ja vielmehr, dass das der nächste hippe Foodtrend werden könnte.

Knoblauchgrün in Sahne (Vorspeise für 4)

4 Bund Knoblauch
300 ml Sahne
Salz, Pfeffer, Muskat
4 Kartoffeln (z.B. Rote Desiree)

Die äußerste Schicht entfernen und die Knoblauchstangen gut waschen. Flach in einen weiten Topf legen, Sahne angießen und leicht salzen. Den Topf erhitzen und das Ganze 10 bis 15 Minuten mit geschlossenem Deckel sanft köcheln lassen. Garprobe machen: Wenn der Knoblauch weich ist, aus dem Sud nehmen und jeweils vier Stangen auf einem Teller anrichten. Die Sahne mit etwas Muskat würzen, einmal aufkochen und über den Knoblauch gießen. Jeweils zwei halbe, in der Schale gekochte und gepellte Kartoffeln anlegen – und genießen.

Weitere Rezeptideen:
Linsen-Knoblauch-Salat
Knoblauchcreme


Dieser Beitrag ist der sechsundzwanzigste in der Reihe “Gemüse des Monats”, die in Zusammenarbeit mit dem Lenßenhof in Mönchengladbach entsteht.


Gemüse des Monats: Bamberger Krumbeere (ehemals Bamberger Hörnchen)

„Die Knollen dieser Kartoffel sind klein und fingerförmig und leicht hörnchenförmig gekrümmt, in wenigen Exemplaren auch mit einer leichten, zweiten Gegenkrümmung oder mit bizarr verwundenen Formen.“ So steht es im 2012 gestellten Eintragungsantrag nach Artikel 6 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 510/2006 des Rates zum Schutz von geografischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel, veröffentlicht im Amtsblatt der Europäischen Union. Weiterhin steht dort: „Aufgrund des besonderen Geschmacks, welcher auf die besonderen klimatischen Bedingungen im geografischen Gebiet zurückzuführen ist, genießt das Bamberger Hörnla beim Verbraucher und insbesondere bei Feinschmeckern ein hohes Ansehen. “ Das besondere ist also der kräftig-nussige Geschmack, einzigartig bei speckig-festkochenden Kartoffeln. Dass allerdings dieser tatsächlich wunderbare Geschmack nur dann anzutreffen ist, wenn der Erdapfel auf fränkischer Scholle wächst, können alle die mit mir zusammen bestreiten, die schon Hörnle aßen von rheinischen oder niedersächsischen oder schwäbischen Äckern.

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2013 allerdings wurde diesem Antrag stattgegeben und seitdem ist Bamberger Hörnchen eine „ geschützte geografische Angabe “. Heute dürfen die gleichen Bauern und Gärtner, die sich über Jahrzehnte erfolgreich um den Bestand der vom Aussterben bedrohten Sorte (und Archepassagier) bemüht haben, dieselbe nicht mehr unter ihrem eigentlichen Namen vermarkten. Zumindest dann nicht, wenn sie nicht in einem der  drei fränkischen Regierungsbezirke Ober-, Mittel- und Unterfranken ansässig sind. Auf dem Lenßenhof in Odenkirchen am Niederrhein beispielsweise werden zwar Bamberger Hörnchen angepflanzt, im Hofladen verkauft werden die ausschließlich manuell geernteten Feldfrüchte allerdings als Bamberger Krumbeeren. Ähnlich geschützt sind beispielsweise Höri Bülle (rote Zwiebeln vom Bodensee) oder Filderkraut. Da es sich dabei jeweils um spezifische Pflanzensorten handelt, ist eine gewisse systemimmanente Logik zu erkennen – wenn auch nicht nachzuvollziehen. Absurd wird es aber, wenn verarbeitete Lebensmittel wie Rheinisches Zuckerrübenkraut oder gar nur vage Ideen wie die Frankfurter Grüne Soße geschützt sind. (Eine Übersicht über alle „geschützten“ Lebensmittel in der EU findet sich hier.)

Zurück zum Nachtschattengewächs: Deutlich aromatischer als beispielsweise die weiter verbreitete französische Schwester „La Ratte“ ist die Bamberger Kartoffel allemal. Ideale Verwendung findet sie im Kartoffelsalat oder in Butter geschwenkt zu feinem Gemüse oder Fisch. Für mich ist sie zudem die perfekte Bratkartoffelkartoffel. Dazu verwende ich sie mit Schale und roh.

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Bratkartoffeln für 2

500 g Bamberger Krumbeeren
Öl (mit einem hohen Rauchpunkt oder ein gutes Schmalz)
1 Eisenpfanne
Salz

Wenig ist zu beachten bei der Zubereitung von Bratkartoffeln, doch das Wenige ist essentiell: 1. Die Kartoffelscheiben dürfen nicht zu dünn geschnitten werden – 0,5 cm sind ein passabler Anhaltspunkt. 2. Eine Eisenpfanne zeitigt deutlich bessere Ergebnisse als beschichtete Exemplare. 3. Sehr heiß muss die Pfanne sein, bevor Öl und Kartoffeln hinein kommen – nur so wird das Ergebnis kross. 4. Immer nur eine Lage braten, schichten verboten. 5. Kein Speck, keine Zwiebeln.
Die perfekten Bratkartoffeln werden erst gegen Ende der Zubereitung (die ca. 15 Minuten dauert, bei auf mittlere Temperatur heruntergeschaltetem Herd) gesalzen und sind außen kross und innen fein-schmelzig. In einem idealen Leben werden sie begleitet von einem leicht bitteren Salat (Endivie oder Radicchio zum Beispiel) mit einem säuerlichen Dressing. Dazu trinke ich Apfelsaft oder ein fränkisches Bier, zur Versöhnung.


Dieser Beitrag ist der fünfundzwanzigste in der Reihe “Gemüse des Monats”, die in Zusammenarbeit mit dem Lenßenhof in Mönchengladbach entsteht.


Gemüse des Monats: Pastinake

Als ich dieser Tage bei Ottolenghi auf ein Rezept für „Latkes“ stieß, war es erst einmal der Begriff, der mich faszinierte. Dass das Wort aus dem Jiddischen stammt, mit Wurzeln wahrscheinlich in einer slawischen Sprache, war mir sofort bewusst. Dennoch scheint es intuitiv Teil meiner Vatersprache zu sein, viele niederrheinische Namen enden auf -es. Mattes und Kackes sind nur zwei in meinem engsten Umfeld. Die Endung -kes wird zudem im Plattdeutschen häufig zur Verniedlichung angehängt. „Heute jibbet Möhrkes mit Frikadellkes“ tönt ein leckeres Diminutiv bisweilen erwartungsfroh in vielen Familien im nördlichen Ruhrgebiet.

Doch auch inhaltlich erzeugen die Dinger Herzenswärme, handelt es sich doch ganz eigentlich um nichts anderes als um Rievkooche, also ein rheinisches Grundnahrungsmittel. Juden essen sie – wie vieles andere Fettgebackene – gerne zur Feier des Menoraöl-Wunders an Chanukka. (How to Make Crispy Perfect Latkes for Chanukka) Bei Ottolenghi wiederum findet „parsnip“ darin Verwendung, also Pastinake. Womit wir beim aktuellen Gemüse des Monats wären.

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Die auch Germanenwurzel genannte Pastinake (ebenso: der Pastinak) ist die oft Ungeliebte in der großen Familie der Wurzelgemüse. Allenfalls als Beigabe findet sie Verwendung in hiesigen Küchen. In Suppen neben den Hauptdarstellern Möhre oder Petersilienwurzel. Im Pürree neben Kartoffel oder Sellerie. Selten aber steht der Doldenblütler selbst im Fokus. Allenfalls im Babybrei. Des milden Geschmacks wegen und weil Pastinaken angeblich deutlich mehr gesunde Inhaltsstoffe haben als zum Beispiel Möhren. Johann Heinrich Moritz von Poppe allerdings beschrieb 1830 im Standardwerk „Die Weinbereitung nach den besten Grundsätzen und Erfahrungen“ die Herstellung von Pastinakenwein. Dies Gebräu ist eigentlich ein interessantes Projekt für einen zukünftigen SCHWARZMARKT.

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Pestnacke hieß das Gemüse im späten Mittelalter, weil ihm zu Zeiten der großen Pestepedemien heilsame Kräfte nachgesagt wurden. Doch schon in der Antike war die Wurzel verbreitet und hatte in der Vor-Kartoffel-Zeit eine große Bedeutung auf dem oft kargen Speiseplan der Menschen. Da sie sich auch mit schweren und feuchten Böden begnügt, fand die Pastinake eine große Verbreitung besonders in nördlichen Regionen. Erntezeit ist im Herbst, auch erste Fröste übersteht die Wurzel, die ebenso wie Karotten eingelagert werden können. Wer sie erntefrisch bekommen kann, sollte unbedingt die Blätter als Würzkraut verwenden.

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Pastinakenplätzchen

1 große Pastinake (ca. 200 g)
1 Kartoffel (ca. 100 g, vorwiegend festkochend)
1 kleine Möhre (z.B. Oxhella)
40 g Buchweizen
1 Ei (M)
Salz, Pfeffer

Beide Wurzeln und die Kartoffel grob reiben. Mit dem Ei und Gewürzen gut vermengen. Buchweizen grob mörsern und unter die Masse rühren. Daraus in einer heißen Pfanne (idealerweise aus Eisen) in reichlich Pflanzenöl kleine, 1 cm dicke Plätzchen ausbacken. Auf Küchenkrepp entfetten und mit Schmand und Dill (TK)  servieren. Dazu könnte ich mir ein Glas sortenreinen Apfelsaft (Berlepsch) gut vorstellen. Da wir den nicht haben, gibt’s Riesling. Passt immer.


Dieser Beitrag ist der vierundzwanzigste in der Reihe “Gemüse des Monats”, die in Zusammenarbeit mit dem Lenßenhof in Mönchengladbach entsteht.


Gemüse des Monats: Haferwurzel

Die Wildform der Haferwurzel ist rund um das Mittelmehr seit ewigen Zeiten verbreitet. Bereits im antiken Griechenland dann wurde die auch Bocksbart, Weisswurzel, Austernpflanze oder Habermark genannte Gemüsewurzel als Kulturpflanze angebaut. Im 13. Jahundert findet sie in Mitteleuropa erstmals Erwähnung – um dann nach 1650 wieder von teutschen Äckern zu verschwinden. Weil sie von der Schwarzwurzel verdrängt wurde, deren Geschmack dem der Haferwurzel ein wenig ähnelt, die aber deutlich leichter zu verarbeiten und etwas ergiebiger im Ertrag ist.

Dabei ist jeder Teil der Haferwurzel essbar. Die Wurzel kann beispielsweise gegart zu Püree und Suppe verarbeitet werden. Als Gemüsebeilage zu Fisch oder einfach in Längsstreifen in der Pfanne angebraten werden. Ihr Aroma, dass nussige und leicht bittersüße Anklänge bietet, entfaltet sich zum Beispiel gut im Zusammenspiel mit Kerbel, Petersilie, Muskatnuss, Sahne, Butter, Zitrone und Weißwein. Überhaupt mit vielschichtig Saurem kombiniert gewinnt Tragopogon porrifolius immer. Angeblich enthält die Haferwurzel allerlei wertvolle Inhaltsstoffe wie Kalium, Calcium, Magnesium, Inulin, Carotinoide, was hier aber keine Rolle spielen soll. Denn dass gesund bleibt, wer gut isst, ist meine tiefste und wichtigste ernährungsphysiologische Überzeugung.

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Der Fruchtstand der Haferwurzel erinnert ein wenig an Löwenzahn. Wie bei der Pustebluhme machen sich die frischen Blätter wunderbar im Salat. Kulinarisch spannend sind aber die bis zu 35 cm langen Pfahlwurzeln. Dass deren Haut nicht gerade glattschalig ist, sondern von vielfältig verzweigten Wurzeläderchen überzogen, macht die Handhabung in der Küche etwas defizil. Denn bricht man die kleinteiligen Wurzeln vor dem Garen ab, tritt milchige Flüssigkeit aus. Doch vom vielbeschriebenen „Ausbluten“ keine Spur. Also keine Scheu beim Schälen – dem Geschmack tut das keinen Abbruch. Kommen die Wurzeln direkt nach dem Schälen in ein Wasserbad, verfärben sie sich auch kaum.

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Herbstlicher Wurzelsalat (4 Vorspeisenportionen)

4 große Haferwurzeln
Je 3 Petersilienwurzeln und Möhren (Oxhella)
300 ml Wein (Riesling)
50 ml Olivenöl
1/2 Zitrone (Saft und Abrieb)
200 g Schafskäse in Salzlake (Feta)
50 g Saure Sahne
Kresse
Salz, Pfeffer

Alle Wurzeln gründlich waschen, mit dem Sparschäler schälen und längs achteln. Lange Exemplare halbieren. Die Schalen zusammen mit dem Wein, Öl und Zitronensaft aufkochen und 5 Minuten simmern lassen. Dann die Schalen herausfischen und die Wurzeln in den Sud legen. Knapp 30 Minuten leise köcheln lassen. Inzwischen den Schafskäse durch ein Sieb streichen und mit der sauren Sahne verrühren. Jeweils 2 Käse-Nocken abstechen und auf Tellern anrichten, Wurzeln anlegen, mit Sud beträufeln und mit Kresse garnieren.


Dieser Beitrag ist der zweiundzwanzigste in der Reihe “Gemüse des Monats”, die in Zusammenarbeit mit dem Lenßenhof in Mönchengladbach entsteht.


Gemüse des Monats: Rote Bete

Erst langsam entfärben sich die Hände wieder. Denn das Wochenende war eine rote Pracht: Der erste Herbstwind hatte die roten Weinbergpfirsiche vom Baum geschüttelt. Deutlich früher als in den Vorjahren musste also gehandelt werden, Marmelade wurde gekocht. Viel zu viel für den Eigenbedarf, einige Gläser werden wir zum Tausch nach Köln bringen, am 18. Oktober. Der vierte SCHWARZMARKT wird höchstwahrscheinlich ein richtiges Erntefest. Ich bin schon sehr gespannt auf die Produkte der anderen Selbermacher unter den rheinischen Foodies.

Einmal blutrot gefärbt waren die Hände also bestens präpariert für die Verarbeitung der Betaninbombe unter den gemeinen Rüben. Beta vulgaris vulgaris stammt wie ihre engen Verwandten Mangold und Zuckerrübe von der wilden Rübe ab. Letztere wird auch Strandrübe oder Seemangold genannt und erfuhr unter diesem Namen zuletzt einige Aufmerksamkeit in der so genannten Nova-Regio-Küche. Beten sind aber auch essentieller Bestandteil vieler Gesindehausgerichte (z.B. hier, hier und hier). Beim Mangold wurden über die Jahrhunderte größere Blätter gezüchtet, für die Rübe der Roten Bete hingegen wurde bei der Pflanzenveredlung der Fokus auf  die Verdickung der Wurzel und Teile des Stängels gelegt.

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Bete sind nicht zwangsläufig rund, spitze oder flachere Formen kommen genauso vor. Auch der Farbenvielfalt sind kaum Grenzen gesetzt – gelbe, weiße, orange und geringelte Varietäten werden angebaut. Letztere, die Tondo di Chioggia, erinnert in Scheiben geschnitten an Lollies aus den 50er Jahren. Daher läuft im Gesindehaus bald eine Versuchsreihe „Kandieren“ an. Womit wir auf einer süßen Fährte sind, der wir auch im aktuellen Rezept folgen wollen. Denn ihre erdig-würzige Wucht, die bekanntermaßen gegart in Kombination mit anderen Wurzeln oder mit Käse und roh gerieben und mariniert häufig zur Geltung gebracht wird, erfährt durch Zucker eine noch wirksamere Geschmacksverstärkung. Eine kulinarische Sünde jedoch ist die fast ausschließliche Verwendung von künstlichen Süßstoffen in Konserven mit eingelegter Roter Bete. Dadurch ist ganzen Generationen der Bete-Genuss verleidet worden.

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125 g Butter
125 g Zucker
20 g Vanillezucker
Prise Salz
5 Eier
200 g Rote Beete
250 g Schokolade (70 %)
120 g Weizenvollkornmehl
100 g gemahlene Walnüsse

Butter, Zucker und eine Prise Salz schaumig rühren. Nach und nach die Eier unterrühren. Rote Bete schälen, fein reiben (funktioniert am besten mit der Zestenreibe eines bekannten amerikanischen Herstellers) und dazugeben. Eine Hälfte der Schokolade im Wasserbad schmelzen, die andere grob hacken und beides ebenfalls zu der Masse geben. Mehl und  Walnüsse kurz unterrühren. Bei 180° 40 Minuten in einer gebutterten und mit Semmelbröseln ausgestreuten Auflaufform (20 x 30 cm) backen. In rechteckige Stücke schneiden und mit Sahne genießen.


Dieser Beitrag ist der einundzwanzigste in der Reihe “Gemüse des Monats”, die in Zusammenarbeit mit dem Lenßenhof in Mönchengladbach entsteht. Der Biobauernhof wurde jüngst portraitiert im Lokalfernsehen:


Gemüse des Monats: Möhren

Essen ist Kopfsache. Zumindest dann, wenn es die Phase bloßer Triebbefriedigung hinter sich lässt. Genuss benötigt zwingend ein Fundament an Reflektion und durchdachtem Vorgehen. Andernfalls bleibt die Hobby-Kulinarik stecken auf einer Entwicklungsstufe, die sich mit Artikulationsformen wie „lecker“ oder „mag ich nicht“ begnügt. Gerade im Fall von latenten oder virulenten Abneigungen lässt sich dies leicht veranschaulichen. Wer zum Beispiel wie ich zu einem Möhrenhasser wurde, geprägt durch Sozialisation, Erziehung zumal, wird dies nicht einfach hinnehmen. Denn gourmandises Leben ist per definitionem eine ganzheitliche Angelegenheit, ein Bestreben, das Vorurteile und den Ausschluss ganzer Genussfelder nicht hinnehmen mag.

Daucus carota subsp. sativus, die gemeine Gartenmöhre also, und mein zwiegespaltenes Verhältnis zu ihr waren in diesem Blog schon häufig Thema. Grundlegend und in ihrer Veredlungsform Muurejubbel beispielsweise, über meine Erhaltungsversuche einer alten Unterart hier. Immer wieder habe ich ausprobiert, mit Konsistenzen und Texturen gespielt. Karotten roh, gedämpft, geräuchert, gebraten, gegrillt und in mancherlei Kombination zu mir genommen. Mit anderen Aromen kombiniert. Und mich so angenähert, Freundschaft geschlossen mit diesem Doldenblütler. Wichtig waren dabei auch durchaus komplexe Umsetzungen, wie zum Beispiel dieser Möhrenteller nach Nils Henkel. Die große Liebe wird es nicht mehr werden in diesem Leben, zwischen der Möhre und mir. Aber wir mögen uns, inzwischen.

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Die Vielfalt ist wieder groß hier am Niederrhein, nach einigen Jahrzehnten farblicher und geschmacklicher Einfalt. Gelbe, orangene, weiße, violette Möhren werden inzwischen angebaut und bis Ende November geerntet. Den ganzen Winter über werden sie unter Erde und Sand in großen Holzkisten bei geringer Temperatur gelagert und so gut wie frisch angeboten. Nur das Grün, aus dem sich wunderbare Sachen machen lassen – als Pesto oder frittiert oder entsaftet bietet es eine tolle Vielfalt – gibt es erst wieder im  Frühsommer, mit der neuen Ernte. Mein aktueller Liebling, vor allem für Salate oder mildsauer eingelegt, ist die gestaucht-bauchige Oxhella. Es handelt sich hierbei um eine Weiterentwicklung der alten Sorte Oxheart, herber im Geschmack als die meist übersüßen, dünnen Dinger aus den Supermärkten. Und mit deutlich festerem Fleisch. Lassen sich wunderbar süßsauer einlegen, nach Art von mixed pickles.

Saure Senfmöhren

1 kg bunte Möhren
350 ml Apfelessig (5 % Säure)
250 g Vollrohrucker
6 El Senfsaat
10 frische Lorbeerblätter
1 El Tellicherry-Pfeffer
1 cm Ingwerwurzel

300 ml Wasser mit allen Zutaten bis auf die Möhren in einen Topf geben, einmal kurz aufkochen und vom Herd ziehen. Die Möhren schälen und in 5 mm dicke Stücke schneiden. In reichlich Salzwasser kurz blanchieren und in ein (oder mehrere, je nach Größe) sterilisiertes Twist-off-Glas füllen. Den Sud erneut aufkochen und über die Möhren geben. Gläser verschließen und auf den Kopf drehen. Dunkel und kühl gelagert halten sich die eingelegten Möhren mehrere Monate.

Sie passen hervorragend zum Käsefondue, zu Falafeln mit Hummus und Baba ganoush sowie als Bratbeigabe zu jedem dunklen Fleisch.


Dieser Beitrag ist der vierzehnte in der Reihe “Gemüse des Monats”, die in Zusammenarbeit mit dem Lenßenhof in Mönchengladbach entsteht.