Gemüse des Monats: Drillinge
Veröffentlicht: Oktober 19, 2016 Abgelegt unter: Gemüse, Niederrhein | Tags: Charlotte, drillinge, Kartoffeln, Lenßenhof, leyla 2 KommentareIn Jahren wie diesem, das in der wichtigsten Wachstumsphase von extremer Trockenheit geprägt war, haben die schlauen Bauern ganz besonders kleine Kartoffeln. Weil sie als ökologisch wirtschaftende Landwirte ihre Felder und Früchte schonen, nicht mit so genanntem „Kunstdünger“ belasten, erreichen viele Erdäpfel ihre gewohnte Größe nicht. Sie fallen somit in die Handelsklasse Drillinge. Bis vor wenigen Jahren regelte die Verordnung über gesetzliche Handelsklassen für Speisekartoffeln die Größen und Klassen der verschiedenen Sorten verbindlich. Seitdem gibt es nur mehr eine lose Absprache einiger Verbände der Kartoffelwirtschaft. In der Berliner Vereinbarung wird folgendes empfohlen: „Speisekartoffeln, welche die für die jeweilige Knollenform vorgeschriebene Mindestgröße unterschreiten, können in einer Größensortierung für Knollen langovaler bis langer Sorten von 25 bis 35 mm Knollen runder bis ovaler Sorten von 25 bis 40 mm unter der Zusatzbezeichnung „Drilling“ in den Verkehr gebracht werden.“
Auch wenn „Drilling“ also keine Sortenbezeichnung ist, lohnt sich die kulinarische Auseinandersetzung mit ihm. Warum? Weil die relativ exakte Größensortierung bei qualitativ gut und nachhaltig arbeitenden Betrieben einen großen Vorteil hat: den gleichen, schnell erreichten Garpunkt. Fast ausnahmslos werden übrigens fest kochende Sorten als Drillinge angeboten. Im konkreten Fall, also auf dem Mönchengladbacher Lenßenhof, sind dies Charlotte und Leyla. In der Regel reicht 12minütiges (wenn überhaupt) Kochen in der Schale als basale Herangehensweise. Dazu eine gute Salzbutter oder frisch zubereiteter Kräuterquark, und das Einfache wird Delikatesse.
Übrigens ist das oben eingebundene Foto durchaus irreführend. Denn ein Kartoffelroder ist eher untauglich bei der Ernte von solch kleinen Dingern – sie fallen schlicht durch’s Raster. Meist ist mühsame Handarbeit angesagt. Der beteiligte Feldarbeiter würde Drillinge im Laden am liebsten mit Gold aufgewogen sehen. Ich habe mich immerhin um eine adäquat elaborierte Zubereitungsweise bemüht, die der Knolle küchentechnsiche Wertschätzung entgegenbringt. Dabei hat mich die indische Kochkunst inspiriert.
Kümmelkartoffeln mit Apfelsauerkraut (Vorspeise für 4)
500 g Drillinge, halbiert
500 g Sauerkraut
2 Schalotten
200 ml Apfelsaft
50 g Butterschmalz oder Ghee
Je 1 Tl Schwarzkümmel, Kreuzkümmel und echter Kümmel
4 Wacholderbeeren
1 frisches Lorbeerblatt
Salz, Pfeffer
4 El Schmand
Die Schalotten in feine Ringe schneiden und in wenig Schmalz anschwitzen. Das Sauerkraut hinzugeben, kurz durchrühren und mit dem Apfelsaft aufgießen. Wacholder und Lorbeer hinzu und 20 Minuten in geschlossenem Topf köcheln lassen. Währenddessen im restlichen Schmalz die verschiedenen Kümmelsorten erhitzen, die Drillinge hinzugeben und einige Male durchschwenken. Deckel drauf und 15 Minuten bei niedriger Temperatur garen. Zum Schluss salzen, anrichten und mit je einem Esslöffel Schmand versehen.
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Dieser Beitrag ist der dreißigste in der Reihe “Gemüse des Monats”, die in Zusammenarbeit mit dem Lenßenhof in Mönchengladbach entsteht.
Wucht und Würde, Kartoffeln und Käse
Veröffentlicht: Dezember 14, 2014 Abgelegt unter: Kulinarik | Tags: bamberger hörnchen, Kartoffeln, käse, Ribeaupierre, salers, tome fraiche Ein KommentarEin kalter Dezembertag, der Wind pfeift ums Haus. Alles Laub ist längst von den Bäumen. Dadurch ist mehr Licht. In der Küche, im Esszimmer. Wenn die Sonne dann mit halber Kraft strahlt und das Fensterkreuz Schatten werfen lässt auf den alten Esstisch, ist dies immer noch kein Idyll. Erst recht kein holpriges Sprachbild, vielmehr der Moment, da der Magen knurrt.
Schnell, einfach, wuchtig. Wahrhaft nahrhaft soll die Speise sein. Ein absolut basales Gericht. Zwei Zutaten, die erdig und kräftig wirken und sind. Die mit Vehemenz in den Magen schlagen, die Perfektion der Kalorienzufuhr. Und dennoch alles an Geschmack und Aroma mitbringen, was an solchen Tagen notwendig ist.
In der Auvergne essen die Menschen gerne l’aligot. Ein Vermengung von gekochten Kartoffeln mit Tome fraîche, einem jungen Rohmilchkäse aus dem Aubrac. Kraftvoller wird der herrliche Brei durch das Hinzufügen von würzigem Salers, einem meiner absoluten Lieblingskäse. Wer wandert im Zentralmassiv, wird keine bessere Wegzehrung finden.
Ich koche Bamberger Biohörnchen, in der Schale. Dazu schneide ich Ribeaupierre (der eigentlich ein Tomme Fermiere d’Alsace ist) in Stücke und lasse ihn langsam in der schweren Pfanne schmelzen. Ein Rest Salers kommt hinzu. Auf dem Teller wird der fast flüssige Käse über die grob zerschnittenen Kartoffeln gegossen. Kräftiger Winterfeldsalat mit Walnussöldressing passt dazu. Und ein urtümlicher, säurebetonter Riesling.
Der Winter mag kommen.
Der letzte Rosmarin oder ein beiläufiger Verriss in einem Satz
Veröffentlicht: Januar 8, 2013 Abgelegt unter: Kulinarik | Tags: bowie, Kartoffeln, kartoffelpizza, Pizza, rosmarin, sauerkrautsuppe Hinterlasse einen KommentarDavid Bowie hat heute einen neuen Song veröffentlicht, ein prätentiöses Video dazu, alte Männer leben im Damals, ich habe gestutzt und wurde traurig und dann überaktiv, denn um den ganzen Schmalz wieder aus meinen Ohren zu holen, habe ich eines Haufen Saures bedurft, einer suppigen Sauerei nachgerade, Sauerkrautsuppe mit dem knackigstem Riesling, den die Gesindehausgarage hergab.
Ganz eigentlich jedoch treibt mich anderes, wichtigeres um. Es wird wieder Winter und die allerletzten Gartenkräuter schreien um Rettung vor dem Kältetod. Der Rosmarin war schon reichlich unansehnlich, hatte aber noch Reste an Aromakraft. Dazu waren ebenfalls Restbestände einer guten Kartoffel sowie Käse und Hefe vorhanden. Ich beschrieb schon oft das Phänomen, dass es einen Haufen Dinge gibt, von denen ich sicher weiß, dass ich sie lieben werde – und gerade deswegen verweigere ich mich. Freund Freud hätte eine wahre Freude an mir – ich aber auch. Pizza patate e rosmarino ist schon virtuell ein Fall für die Abteilung Reizüberflutung. Das erste Mal nun buk ich sie.
Da ich ja häufig gegen Dogmen handele – bisweilen aber auch nicht – habe ich einer ebenfalls noch der adäquaten Verwendung harrenden Aubergine ein Pfannenbad in Olivenöl gegönnt. (Dazu dogmatisch: Ich schäle Auberginen immer. Ich salze die Dinger nie. Und nach dem Ölbad werden sie wieder entfettet.) Und sie samt blanchierten Kartoffelscheiben und einigen Kugeln Büffelmozarella auf einen perfekten Pizzateig gepackt.
Der Rosmarin, die jämmerlichen Reste, wurde zuvor mit Knoblauch, grobem Meersalz und 2-3 Pfefferkörnern grob zermörsert und mit dem besten der guten Olivenöle vermengt über die Chose getropft. Nicht zu braun gebacken wurde das ganze zu meiner liebsten Pizza. Des Jahres. Bisher.
Blutiges
Veröffentlicht: Januar 25, 2012 Abgelegt unter: Kulinarik | Tags: Blutwurst, Himmel un Ääd, John Darnielle, Kartoffeln, Mountain Goats, rubinette, schwartenbrei, The house that dripped blood 4 KommentareEine handwerklich sauber produzierte, frische rheinische Blutwurst hat einen Schweineblutanteil von ungefähr 35 %. Die Konsistenz jedoch wird durch den Hauptbestandteil (40 %), die Gallertmasse – auch Schwartenbrei genannt – manifestiert. Dazu werden Schweineschwarten butterweich gekocht und dann mit Zwiebeln hübsch zu einer cremigen Masse gekuttert. Nun wird ebenfalls heiße Brühe untergerührt. Abkühlen. Und nachdem das Ganze dann weniger als 50° warm ist, kommen Blut und Gewürze hinzu. Gegebenenfalls werden kurz vor dem Einfüllen in die Därme noch kleingeschnittene Fettstücke untergemengt.
Ich esse oft Blutwurst. Doch seit dieser Abendesseneinladung habe ich vermehrt über Verpackungsmöglichkeiten für dieselbe nachgedacht. Schließlich bin ich gedanklich bei einer Variation des beliebten Themas „Himmel un Ääd“ gelandet – und habe gestern Abend den rheinischen Vierklang von Kartoffel, Apfel, Zwiebel und Blutwurst folgendermaßen umgesetzt:
Mehlige Kartoffeln gekocht, gepresst und mit einem Ei, Kartoffelstärke und wenig Weizenmehl zu einem weichen Teig verarbeitet. Mit Salz und Muskat gewürzt und für eine Stunde in den Kühlschrank gelegt. In der Zwischenzeit ein Kompott von roten Zwiebeln gekocht, mit braunem Zucker, Salz und etwas Nelke sowie reichlich Spätburgunder. Wenn der verkocht, mehrmals aufgefüllt und mit einem Schuss altem Balsamico abgeschmeckt. Frische, gut gewürzte Bioblutwurst in dicke und eine Rubinette in dünne Scheiben geschnitten.
Nun zügig den Teig ausgerollt, rund ausgestochen und mit Wurst und Apfel belegt. Mit einer weiteren Teigscheibe verschlossen und in heißem Rapsöl frittiert. Schnell gegessen – denn schon nach kurzer Zeit wird die leidlich krosse Hülle weich. Vom Zwiebelwein war noch ein Rest in der Flasche – der 2006er Edition Ponsart der WG Mayschoß passte gut zum blutigen Mahl.
Mit blutigen Metaphern musikalisch umzugehen ist eine Kernkompetenz des wunderbaren John Darnielle, der in der Regel unter dem Namen Mountain Goats veröffentlicht. Über die Jahre ist daraus eine richtige Band entstanden, was seinem zornig-neurotischen Vortrag leider bisweilen etwas die Prägnanz nimmt. Daher als Beispiel hier ein Song vom puristischen 2002er Album Tallahassee: The house that dripped blood ist die musikalische Umsetzung eines Themas, das schon der gleichnamige britische Horrofilm aus dem Jahre 1970 als Plot hatte.
Manchmal
Veröffentlicht: Dezember 8, 2010 Abgelegt unter: Gedankenstrom, Kulinarik | Tags: Kartoffeln, manchmal, Rosenkohl, Schweinebraten 3 Kommentaremuss es eben Schweinebraten sein. Zum Beispiel winters. Oder rote Grütze, bei starker Hitze. Rahmspinat mit Spiegelei – im Mai. Und wenn die bunten Blätter fallen, kommt bisweilen, nein, kein weiterer Reim, sondern einWildragout nach des heiligen Hubertus Art auf den Tisch. Ich habe ein ausgeprägtes Faible für alles, was mit Begriffen wie „Hausmannskost“ oder „gediegene Regionalküche“ geschmäht und gemeuchelt wird. In Blogs wird derlei seltenst beschrieben, bei allem Ethnofood-Brimborium und pseudokulinarischen Selbsterfahrungstripps.
Wer aus Bayern stammt und Schweinsbraten sagt, lernt solch basale Kochkunst höchstwahrscheinlich bis auf den heutigen Tag in schulischer Hauswirtschaftslehre. Doch alle anderen Carnivoren gehen bestimmt davon aus, die rosafarbenen, kringelschwänzigen Quieketierchen taugten einzig zur Schnitzelproduktion. Doch bevor ich mich in Rage schreibe, teile ich Euch, werte Leser, schlicht mit, was ich heute aß. Schweinebraten mit Rosenkohl, Kartoffeln und Soße. Die allerdings eine Sauce war. Ein Schwein vom Stautenhof lieferte mir das obere Ende des Kotelettstrangs (Nacken), mitsamt Knochen. Der Rosenkohl bekam vor allem Eines: Zeit. Und die späten Kartoffeln sind momentan ganz besonders lecker.
Gewürze spielten wider Erwarten eine dominante Rolle: Muskat für den Kohl ist nachgerade selbstverständlich. Doch dass der aus dem Schnee gerettete Thymian den fetten Braten neutralisierend auf ein hohes Geschmackslevel hebt, muss ausprobieren, wer es nicht glaubt. Der Sauce geben Möhre und Zwiebel Süße und Rückhalt, reichlich schwarzer Pfeffer der ganzen Chose Wucht. Schmoren ist eine grandiose Kulturtechnik. Warum, wird beim Lösen des Fleisches vom Knochen nach locker anderthalb Stunden überdeutlich. Really moist – wie ein amerikanischer Freund bei solchem Anblick zu sagen pflegt. Manchmal muss es eben Schweinebraten sein.
„Irgendwann merkt man, dass manchmal wie Manchester anfängt.“
Bevor ich’s vergesse geht noch ein besonderer Dank an einen gastrophilosophischen Qyper aus Duisburg für den Hinweis auf den Winzer Wolfgang Pfaffmann aus Landau: Da ich darauf vertraue, dass man die guten Weinbauern an ihren einfachen Qualitäten erkennt, der Geschmack im besten Falle Liebe und Sorgfalt widerspiegelt, trinke ich aus einem üppigen Probepaket zuerst den 2009er Spätburgunder QbA (Nußdorfer Herrenberg) : extrem ausgewogen und dicht, freundlich-offener Winterwein, der dennoch lange Wärme schenkt.
Basale Kulinarik: Die Kartoffel
Veröffentlicht: Juni 2, 2010 Abgelegt unter: Kulinarik, Niederrhein | Tags: Butter, Gloria, Hollandse Nieuwe, Kartoffel, Kartoffeln, Meersalz, Schniedershof, Stautenhof, Thymian, Venlo Ein KommentarEnde Mai, Anfang Juni: Zeit für die ersten Frühkartoffeln dieses Jahres am Niederrhein. Zwei Wochen später als gewöhnlich, der kühlen Witterung geschuldet. Wie bei vielen anderen Dingen, die ob ihrer langen Tradition der Küchen-Verwendung über die Jahrhunderte hinweg unweigerlich bisweilen bizarren Trends unterworfen wurden, bin ich beim Erdapfel ein Liebhaber des puren Produkts. Wobei die Bezeichnung „Produkt“ für ein gewachsenes Lebensmittel eigentlich ein unsinnlicher Sprachmissbrauch ist, doch dazu später einmal mehr.
Auch bei der Kartoffel existieren Heerscharen an Sorten, die in Form, Farbe, Konsistenz und Geschmack variieren. Ohne allzu viele gastrosophische Binsenweisheiten zu bemühen, sind bei der Frühkartoffel für mich drei Dinge wichtig: 1. Möglichst biologisch angebaut sollte die Knolle werden; 2. Ihre Kocheigenschaft und Beschaffenheit (fest bis mehlig) muss dem späteren Verwendungszweck dienlich sein; 3. Geschmackliche Überzeugungskraft. Bauer Gütges hat Gloria im Angebot, vier mittelgroße Exemplare harren nun der Zubereitung. Diese Sorte ist weit verbreitet, sowohl in der konventionellen Landwirtschaft wie auch bei Biobauern (z.B. auf dem Stautenhof in Anrath oder dem Schniedershof in Wachtendonk).
Für den vollen Kartoffel-Geschmack gehe ich folgendermaßen vor: Unter fließendem Wasser mit der Bürste die Knollen gründlich schrubben. Mit wenig Wasser und reichlich Salz garen (Obacht, da frische Frühkartoffeln mehr Wasser beinhalten, ist die Garzeit deutlich kürzer als bei den nun schon überlagerten alten Exemplaren). Eher etwas zu fest als zu weich soll das Ergebnis sein, dann halbieren. Inzwischen in einer kleinen Pfanne ein großes Stück Butter aufschäumen, Meersalz und schwarzen Pfeffer mörsern und hinzugeben. Ebenfalls eine angedrückte, frische Knoblauchzehe und einen Zweig Thymian, der gerade zu blühen beginnt. Nun die Kartoffeln ein bis zwei Minuten darin schwenken – fertig.
Da ich noch etwas in Venlo zu erledigen hatte, gibt es zur Aroma-Kartoffel zwei zart schmelzende Hollandse Nieuwe – ebenfalls die ersten der Saison. Keep it simple – and delicious!