Das „Bio-Ei“ im Restaurant: Zur Frage der Produktprovenienz
Veröffentlicht: Oktober 18, 2018 Abgelegt unter: Gedankenstrom | Tags: bio-ei, bioei, greenwashing, Köln, Restaurant, speisekarte 2 KommentareImmer häufiger fällt es beim Lesen von Speisekarten ins Auge: das gemeine „Bio-Ei“. Beim mittäglichen Streifzug durch die Kölner Restaurants und Cafes, egal welcher Preisklasse, scheint es mich bisweilen zu verfolgen. Wenn ein Koch oder Resturantleiter also ein Gericht wie „Aubergine vom Grill mit typisch israelischem Raucharoma; dazu Tomatensalsa, wachsweiches Bio-Ei, Har Bracha Tahina und Pitabrot“ auf die Karte setzt, erfreut das nicht mein kleines Hippieherz. Ich bin zwar im Privaten Fundamentalökologe, weiß aber andererseits um die (wirtschafltichen) Zwänge in der deutschen Großstadtgastronomie. Der Einsatz von ausschließlich in regionalen, kleinbäuerlichen, ökologisch wirtschaftenden Betrieben angebauten und hergestellten Produkten wäre zwar meine Wunschvorstellung, wird aber weder vom gemeinen Mittagstischgast („Die essen alles – Hauptsache es kostet nicht mehr als 9,90 Euro“) noch vom abendlichen Eventesser goutiert, geschweige denn wertgeschätzt.
Was mich nun am Bio-Ei ärgert (übrigens auch in seiner Ausprägung als „Bio-Eigelb 66°“), ist der Umkehrschluss, der sich aufdrängt. Wenn also die „Qualität“ einer Zutat hervorgehoben wird, steht für mich im Speisekartensubtext: die Provenienz aller anderen Produkte ist uns ansonsten schnuppe. Greenwashing in der Suppenküche, quasi. Ich fühle mich, wenn ich solcherlei lese, immer ein wenig veräppelt. Denn ein weiterer Umstand macht diese Art von punktuellem Bio-Marketing für mich kaum nachvollziehbar. Wenn mit „bio“ geworben wird – und sei es eben auch nur für eine klitzekleine Zutat – muss der Betrieb sich der so genannten „Bio-Kontrolle und -Zertifizierung“ unterziehen. Dazu schreibt das zuständige Ministerium in der Broschüre „Mit einfachen Schritten zur Bio-Zertifizierung – Der Leitfaden für Gemeinschaftsverpflegung und Gastronomie“:
Auslobung einzelner Bio-Zutaten in einer ansonsten herkömmlichen Speise
Die neuen EU-Rechtsvorschriften für den ökologischen Landbau ermöglichen es Gastronomen nun auch, eine einzelne Bio-Zutat direkt an einer Speise oder einer Speisenkomponente zu kennzeichnen, beispielsweise die Bio-Kartoffeln in einer Kartoffelsuppe, die ansonsten ausschließlich konventionelle Erzeugnisse enthält. Für diese Form der Kennzeichnung müssen allerdings zwei Voraussetzungen erfüllt sein. Erstens muss die als „Bio“ gekennzeichnete Zutat ausschließlich in Bio-Qualität eingekauft werden (kompletter Austausch dieser Zutat im gesamten Betrieb) und zweitens muss die gesamte Speise oder Speisenkomponente die Vorgaben der Verordnung erfüllen. Dies bedeutet auch, dass in dem Gericht nur die laut Verordnung erlaubten Zusatzstoffe eingesetzt werden dürfen, also beispielsweise keine Geschmacksverstärker (z.B. Glutamat in der Suppe) und keine künstlichen Süßstoffe (z.B. Saccharin im Dessert).
Ich unterstelle zudem: Kaum ein Lokal mit Bio-Ei wird solche in Spitzenqualität einkaufen und verwenden. Denn locker über 40 Cent pro Stück kosten Hühnereier von erstklassigen Erzeugern. Schon ab 25 Cent gibt es aber Bio-Eier im Discounter, die dann allerdings aus quasi-industriellen Betrieben stammen. Im Großhandel geht es preislich bestimmt noch um einiges günstiger. Das gewünschte Ziel zu erreichen, ein nachhaltiges Image zu kreieren, dem vordergründig immer bewusssteren Verbraucher also ein bewusstseinsberuhigendes Angebot zu machen, gelingt allenfalls wachsweich. Um ein etwas krummes Sprachbild zu bemühen.
Wie sehen das eigentlich die ganz wenigen Gastronomen, die sich ehrlich und offen um gute Beziehungen zu ihren Lieferanten und Produzenten bemühen, sie nach den Produktionsbedingungen UND nach Exzellenz auswählen – und alles dies auch den Gästen im Restaurant kommunizieren? Stört Euch nicht auch das singuläre „Bio-Ei“ in der Qualitätswüste Gastro?
Altstadtstern: maiBeck, Köln
Veröffentlicht: Dezember 17, 2013 Abgelegt unter: Kulinarik | Tags: Köln, maiBeck, Restaurant 3 KommentareNiemand, der auch nur über einen Funken kulinarischer Intelligenz verfügt, käme auf die Idee, in der touristischen Vorhölle zwischen Dom und Heumarkt – in typisch kölsch-euphemistischer Art „Altstadt“ geheißen – ein Etablissement zwecks ambitionierter Essensaufnahme aufzusuchen. Ganz besonders die Rheinfront ist genusstechnisch eine veritable No-Go-Area. Gewesen. Denn seit Oktober ist hier alles anders: Jan Maier und Tobias Becker haben nicht nur ihre Namen zusammengschmissen und ihren Laden maiBeck genannt, sie lassen auch aus jahrelangen Erfahrungen und weitverzweigten Inspirationsquellen (aus und in allerlei Tempeln der etablierten Hochküche und mit Gastrotrends) ein gemeinsames Neues entstehen. Dass sie das Ganze überschreiben mit „Restaurant-Konzept, welches in der Tradition der jungen europäischen Bistronomic-Kultur stehend ambitionierte Kreativküche in entspannter großstädtischer Atmosphäre zelebriert“, sollte den geneigten Genusssüchtigen eher neugierig machen denn abschrecken. Denn hinter der vorgeblichen Worthülse steckt Substanz.

Confit von der Eifeler Kaninchenkeule / Feige / Linsen / Castelfranco
Zugegeben komme ich gerade leicht euphorisiert vom Mittagessen zurück und schreibe diesen Text noch im Zustand wohliger Zufriedenheit – mir fehlt gerade jeglicher kritischer Filter. Doch warum etwas semiprofessionell aufpumpen, dass doch einfach nur ein kurzes Loblied sein soll auf eine ambitionierte, handwerklich perfekte, feine und doch durch und durch zugängliche frische Produkteküche? Der Güte jeglicher Zutat durch Finesse und mit Weitblick lichten Glanz zu verleihen ist der Ansatz im maiBeck. Und Stimmen aus dem Freundeskreis der Internetesser bestätigen, dass dies den beiden Köchen zuverlässig gelingt – nicht nur heute, als ich Dank Torsten dort sein durfte und den Tag eindeutig beschwingter und mit einem größeren Glücksgefühl zu Ende bringe, als er begann.

Geangelter Wolfsbarsch aus der Bretagne / Spitzkraut mit grobem Senf / Sellerie & Fenchelsaat
Jetzt noch auf der Zunge liegt mir übrigens das herrliche Selleriepürree, das mit einer aromatisierten Butter eine große Wucht entwickelte. Doch eigentlich war alles auf den Punkt, selbst die Nudeln „Rumfort“, die es außerhalb der Karte vorneweg gab. Fazit: Hingehen, alle!