Gemüse des Monats: Möhren

Essen ist Kopfsache. Zumindest dann, wenn es die Phase bloßer Triebbefriedigung hinter sich lässt. Genuss benötigt zwingend ein Fundament an Reflektion und durchdachtem Vorgehen. Andernfalls bleibt die Hobby-Kulinarik stecken auf einer Entwicklungsstufe, die sich mit Artikulationsformen wie „lecker“ oder „mag ich nicht“ begnügt. Gerade im Fall von latenten oder virulenten Abneigungen lässt sich dies leicht veranschaulichen. Wer zum Beispiel wie ich zu einem Möhrenhasser wurde, geprägt durch Sozialisation, Erziehung zumal, wird dies nicht einfach hinnehmen. Denn gourmandises Leben ist per definitionem eine ganzheitliche Angelegenheit, ein Bestreben, das Vorurteile und den Ausschluss ganzer Genussfelder nicht hinnehmen mag.

Daucus carota subsp. sativus, die gemeine Gartenmöhre also, und mein zwiegespaltenes Verhältnis zu ihr waren in diesem Blog schon häufig Thema. Grundlegend und in ihrer Veredlungsform Muurejubbel beispielsweise, über meine Erhaltungsversuche einer alten Unterart hier. Immer wieder habe ich ausprobiert, mit Konsistenzen und Texturen gespielt. Karotten roh, gedämpft, geräuchert, gebraten, gegrillt und in mancherlei Kombination zu mir genommen. Mit anderen Aromen kombiniert. Und mich so angenähert, Freundschaft geschlossen mit diesem Doldenblütler. Wichtig waren dabei auch durchaus komplexe Umsetzungen, wie zum Beispiel dieser Möhrenteller nach Nils Henkel. Die große Liebe wird es nicht mehr werden in diesem Leben, zwischen der Möhre und mir. Aber wir mögen uns, inzwischen.

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Die Vielfalt ist wieder groß hier am Niederrhein, nach einigen Jahrzehnten farblicher und geschmacklicher Einfalt. Gelbe, orangene, weiße, violette Möhren werden inzwischen angebaut und bis Ende November geerntet. Den ganzen Winter über werden sie unter Erde und Sand in großen Holzkisten bei geringer Temperatur gelagert und so gut wie frisch angeboten. Nur das Grün, aus dem sich wunderbare Sachen machen lassen – als Pesto oder frittiert oder entsaftet bietet es eine tolle Vielfalt – gibt es erst wieder im  Frühsommer, mit der neuen Ernte. Mein aktueller Liebling, vor allem für Salate oder mildsauer eingelegt, ist die gestaucht-bauchige Oxhella. Es handelt sich hierbei um eine Weiterentwicklung der alten Sorte Oxheart, herber im Geschmack als die meist übersüßen, dünnen Dinger aus den Supermärkten. Und mit deutlich festerem Fleisch. Lassen sich wunderbar süßsauer einlegen, nach Art von mixed pickles.

Saure Senfmöhren

1 kg bunte Möhren
350 ml Apfelessig (5 % Säure)
250 g Vollrohrucker
6 El Senfsaat
10 frische Lorbeerblätter
1 El Tellicherry-Pfeffer
1 cm Ingwerwurzel

300 ml Wasser mit allen Zutaten bis auf die Möhren in einen Topf geben, einmal kurz aufkochen und vom Herd ziehen. Die Möhren schälen und in 5 mm dicke Stücke schneiden. In reichlich Salzwasser kurz blanchieren und in ein (oder mehrere, je nach Größe) sterilisiertes Twist-off-Glas füllen. Den Sud erneut aufkochen und über die Möhren geben. Gläser verschließen und auf den Kopf drehen. Dunkel und kühl gelagert halten sich die eingelegten Möhren mehrere Monate.

Sie passen hervorragend zum Käsefondue, zu Falafeln mit Hummus und Baba ganoush sowie als Bratbeigabe zu jedem dunklen Fleisch.


Dieser Beitrag ist der vierzehnte in der Reihe “Gemüse des Monats”, die in Zusammenarbeit mit dem Lenßenhof in Mönchengladbach entsteht. 



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