3 Männer, 175 Teller, keine Küche

Als wir mittags zu dritt in dem Raum standen, für den die Bezeichnung „Küche“ ein lustiger Euphemismus war, kehrte Ruhe ein und Konzentration. Alle Anspannung der Vorbereitung, die Unsicherheit ob der Gegebenheiten, die widrigen Witterungsverhältnisse, die Absage eines im Kombinat Werktätigen, die sich unendlich oft ändernde Anzahl der hungrigen Mäuler – all das spielte in dem Moment keine Rolle mehr, da wir endlich loslegen konnten. Bernd, Claus und ich guckten uns kurz in die Augen, tranken ein schnelles Glas Rieslingsekt aus der Doppelmagnum und begaben uns an unsere Stationen. Eine freudige Spannung breitete sich aus und die ersten Arbeitsschritte gingen uns flink von der Hand. 24 Stunden zuvor in Moselsherry eingelegte Trockenfrüchte wanderten für mehrere Stunden in den Backofen, fünf Kilogramm Sauerkraut wurden gezupft, in zwei Töpfe verteilt und auf dem fast funktionstüchtigen Haushaltsherd warm gezogen, ein Teig für Crepes war schnell angerührt.

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Nach einem längeren Abstimmungsprozess hatten wir uns entschlossen, für die 42 angemeldeten Teilnehmer des zweiten Vinocamps Mosel, das am vergangenen Wochende in Hatzenport stattfand, fünf Gänge zu kochen. Weinfreaks sind offensichtlich kulinarisch auch mit wenig (uns) zufrieden zu stellen, wir hatten also relativ leichtes Spiel und wurden sogar im Programm als ein besonderer Höhepunkt angekündigt. Unser Menüplan sah folgendermaßen aus (inklusive Weinbegleitung von Winzern, die im bis dato fast gänzlich unbekannten Mosel-Wein-Messe e.V. zusammengeschlossen sind):

1. Cremesüppchen vom Wurzelgemüse mit Rote-Bete-Chip
2015 Weitwinkel Riesling trocken – Weingut Josef Thielmann, Ernst

2. Häppchenteller: Crêpe mit Kräuterfrischkäse und confierter Kirschtomate, Heringssalat auf gedörrtem Roggenbrot, rauchige Bohnencreme auf Pumpernickel, Hirschkrümel.
2015 „eine gute Zeit“ Weißwein Cuvée – Weingut Schneiders-Moritz, Pommern

3. Warmer Linsensalat mit geräucherter Entenbrust
Frühburgunder trocken – Weingut Hirschen-Schuster, Mesenich

4. Orientalisches Sauerkraut mit kleiner Mettwurst
2015 Riesling „vom roten Schiefer“ halbtrocken – Weingut Lay, Pünderich

5. Clotted Cream auf eingelegten Trockenfrüchten und Krokant
2015 Rieslaner edelsüß – Weingut Daniel Theisen, Nehren

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Was alles nicht funktionierte: Die Stromversorgung, bisweilen. Das Internet. Der am Abend zuvor angesetzte Brotteig hatte sich nach der kalkulierten Zeit so gut wie nicht bewegt, das selbst gebackene Brot entfiel also schon einmal (nach weiteren 24 h Teigführung wurden daraus dann perfekte Laibe – allerdings zu Hause.) Denn die Küchentemperatur lag beim Start nahe 0° C. Für die Wurzelsuppe hatte ich im Vorhinein ein Konzentrat vorbereitet, das für die angekündigten über 40 Portionen berechnet und entsprechend gewürzt war. Final haben wir dann 33 Tässchen geschickt und auch mit entsprechend weniger Brühe und Sahne verlängert – was dem Ergebnis zwar eine immense Wucht verlieh, aber eben auch eine so nicht gewollte Schärfe. Und war nicht irgendwo von Schwarzbrotkrokant die Rede gewesen? Wir waren schnell, manchmal übereifrig. So wollten wir meist schon die nächsten Gänge schicken, wenn die Gäste noch genussvoll kauten und schlürften. Überhaupt der Gang über den Hof von der „Küche“ bis in den „Gastraum“ über Schnee und Eis. Die entsprechend kalten Teller. Die Geschirrplanung.

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Was großartig war: Alles andere. Die begeisterten Vinocamper mit einem extrem hohen Winzeranteil von bestimmt mehr als 60 Prozent – was eine perfekte Getränkeversorgung der Köche sicherstellte. Der Zusammenhalt im Rheinkombinat und der gemeinsame Wille, das Soll überzuerfüllen. Der Charme der Location K5 samt sympathischer Besitzer. Ein unvergleichlicher Sven. Unsere Unterkunft. Hatzenport. Die Mosel.

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Und der Wein? Das Vinocamp?
Den ersten Tag habe ich nach der Sessionplanung und wenigen Schlucken bei der tollen weil vielfältigen Moselsektsession in der „Küche“ verbracht. Und weil ich auch am zweiten Tag beim Plating und im Service geholfen habe (gerne), habe ich kaum inhaltlich partizipieren können. Die Menschen standen somit für mich im Mittelpunkt. Lieblingswinzer, aus denen über die Jahre gute Bekannte geworden sind (wie Thorsten und Jan und Achim und Jonas und Harald uvm.). Bloggerurgesteine wie Matthias und Lippi. Joachim Kaiser, dessen Fotos ich hier nutzen darf (Danke!). Und viele andere mehr. Auf die beiden Sessions, zu denen ich inhaltlich beitragen konnte (Prinzip Popup, Redlichkeit) werde ich in einem gesonderten Beitrag eingehen.

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Fazit: Bis zum nächsten Mal in Moselsibirien.


Bernd und Claus und Verena und Andreas haben inzwischen auf ihren Blogs auch berichtet.


Das Rheinkombinat an der Mosel

In Kürze wird unser feiner, kleiner Supperclub, die rheinische Herrenrunde bestehend aus Claus, Bernd, Stefan und mir, das erste Mal nicht in Köln kochen. Und auch nicht im Sommer. Das Rheinkombinat beabsichtigt, am 14. Januar 2017 an der Mosel ans Werk zu gehen. Wir haben die kulinarische Samstagabendgestaltung übernommen beim zweiten Vinocamp Mosel, das erneut von meinem Freund Sven Zerwas organisiert wird. Nicht wie beim ersten Mal in Moselkern, sondern im benachbarten Hatzenport werden sich wahrscheinlich um die 50 Weinnerds und Internettrinker zum regionalen Barcamp treffen, in dessen Mittelpunkt nicht nur Riesling stehen wird. Ich freue mich auf jeden Fall auf viele Winzer, Blogger, Genießer, Foodies und Drinkies.

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Was wir kochen werden, ist so geheim, dass es noch nicht mal allen im Kombinat Werktätigen zur Gänze ins Bewusstsein gedrungen ist. Nur soviel: Wir wollen den Beweis antreten, dass der Spaß erst dann anfängt, wenn ohne Küche gekocht wird. Aus Töpfen und von Platten wollen wir die Definition von „deftig“ servieren und alles in Richtung Hochküche pimpen, was nicht bei 3 in die angrenzenden Eifelwälder gehuscht ist. So in der Art…

Weitere Infos zum Vinocamp Mosel samt Anmeldemöglichkeit


Sauerampfer-Kirsche

Wenn Amateure Restaurant spielen, kommt es regelmäßig zu Kalamitäten. Störungen im Betriebsablauf, die meist in mangelhafter Brillianz und Erfahrung in Sachen Logistik gründen, sind nicht nur Dissonanzen im Küchendunst, sondern eher Leitmotiv einer dramatischen Oper. Die da im konkreten Fall „Rheinkombinat trifft deutsche Klassik“ hieß und gegeben wurde im Kölner Marieneck, vergangenen Sonntag, als Finale des diesjährigen Summer of Supper. Das Libretto – oder besser: den Erfahrungsbericht eines Überlebenden – kann man hier nachlesen. Und hier.

Von mir ergänzend nur dies:
Für meinen (von einem gewissen Herrn Müller inspirierten) Gang – Hecht in Spitzkohl auf allerlei Blumenkohl, Sauerampferrahm und Zitronenkaviar – brauchte ich also: Sauerampfer. Dessen Saison dieses Jahr durch die Wetterkapriolen sowieso einigermaßen verhagelt war und der Ende Juli nur noch schwer zu bekommen ist. Im eigenen Garten hatten ihn die Käfer erledigt. Beim Biobauern des Vertrauens war er aus. Was also tun? Ich klapperte 14 Tage lang die Gärtnereien der Region ab und sammelte Einzelpflanzen ökologischer Provenienz ein. Fuhr auf umliegende Märkte. Schrieb E-Mails an mir vage bekannte Produzenten, auf die sich keiner meldete. Am Tag vorm Supperclub hatte ich vier mickrige Pflanztöpfe zusammen, von denen einer mit Blutampfer bestückt war und also nicht ganz meinem Suchprofil entsprach. Ich würde irgendwie zurecht kommen, schön war’s nicht. Dann klingelte das Telefon.

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Johannes Thees von der gleichnamigen Kräutergärtnerei aus Anrath war am Apparat, er packe gerade seinen Stand für den Bauermarkt in Düsseldorf-Pempelfort und habe da noch 1 kg Sauerampfer für mich. Meine Mail war aus Versehen im Spamordner gelandet. Ich, glücklich, fuhr also direkt auf seinen feinen, kleinen Hof – und hatte nun circa 800 g Sauerampfer zu viel. In Spitzenqualität, selbstredend. Was tun? Idee: Warum nur einmal grüßen, wenn man’s auch zweimal kann? Also neben Stefans Knochenmarkstulle noch einen kleinen Salat im Kopf kreiert, dazu Süßkirschen gekauft, Svens Cherry Cotton eingepackt und außerdem Buchweizen und Aprikosenkernöl.

So gab es also als Gruß aus der Rheinkombinatküche Sauerampfer-Kirsch:
Vom Hauptgang war Spitzkohl übrig, den ich habe ich in feinste Streifen geschnitten und mit dem Öl, etwas Tellicherry-Pfeffer und Salz sowie einem guten Schuss vom Kirsch-Mosto-Cotto mariniert. Kurz vorm Anrichten den Sauerampfer in etwas grobere Streifen geschnitten (weil sich die herrliche Säure erst beim Kauen richtig entfaltet) und untergemischt. In Schüsseln gegeben, fein geschnittene Süßkirschen und ein paar Körner vom Buchweizen darauf und geschickt. War ein guter Auftakt für ein grandioses Menü.


Danke an Stefan für das Foto. Das Rheinkombinat sind Stefan, Bernd, Claus und ich. Es wird wahrscheinlich eine Winterausgabe unseres Supperclubs geben. Dank auch an Marco – für alles.


Deutsche Klassik beim Summer of Supper

Wir machen es wieder: Das Rheinkombinat kocht das Finale beim diesjährigen Summer of Supper in Köln. Wie vergangenes Jahr werden also Bernd, Claus, Stefan und ich am letzten Abend dieses wunderbaren Supperclub-Festivals im Kölner Marieneck in der Küche stehen und für 40 Gäste ein 4-Gang-Menü zubereiten. Es gibt übrigens noch Karten.

Marco (Gastgeber und Erfinder des SoS) hat uns gezwungen, vorab eine Menüfolge zu benennen. Also blieben wir etwas kryptisch bei der Annoncierung der einzelnen Gänge: Schlemmer-Klopse/Erbsen-Knalleffekt/Hecht-Rolle/Altbier-Bowle. Das wird ein sehr amüsanter Abend. Nicht zuletzt deshalb, weil wir zwei ganz besondere Menschen werden begrüßen dürfen: Susanne Barth vom Weingut Lubentiushof und Petra Pahlings von Joh. Jos. Prüm werden mit ihren Spitzenrieslingen zu begeistern wissen. Exklusive Weinbegleitung an diesem Abend, nur beim Rheinkombinat. Ich hoffe, dass ich meinen Posten in der Küche frühzeitig blitzeblank haben werde und wir dann alle zusammen genießen.

Hier geht es übrigens zum kompletten Lineup des SoS.


Mundart, Broccoli und Auxerrois

Letzte Karte. Für das Rheinkombinat im Rahmen des Summer of Supper. Wer jetzt schnell bucht (hier), wird am 19.7. in Köln bekocht. Von Bernd und Claus und Stefan und mir. Einer von uns ist gebürtiger Domstädter, einer Herzenskölner. Einer immerhin FC-Fan. Und einer kommt aus Düsseldorf. Grund genug, unsere Speisenfolge mundartlich aufzumotzen. Wir planen ein paar Gänge für Euch, die sich so lesen:

Murrejedings – Steen un Mos – Muschele-Ääpel-Sölz – Bunne un Reppe – Fleutekies met Schukelad un Iis

Das wird mindestens lustig. Spannend bestimmt. Interessant eher nicht. Denn wir meinen schon zu wissen, was wir tun wollen. Und sind entsprechend entspannt bisher: Was sind schon 200 Teller, wenn Leidenschaft und Lust Motive sind, uns für Euch in die Küche zu stellen. Noch 20 Tage – ich kann es kaum erwarten!

broccoli, geröstet

Um mir die Zeit bis dahin zu vertreiben, koche ich Broccoli. Soll gesund sein (was mir ziemlich schnuppe ist). Ist halt da – und muss weg. Heute: geröstet, englisch. Nach Art von Heston Blumenthal. Am Ende gibt es einen Salat, der lauwarm schmeckt. Kalt fast noch besser. Ich mache das so: Den Broccoli gut waschen, in Röschen teilen, den Strunk schälen und ebenfalls in mundgerechte Stücke schneiden. Eine schwere Pfanne mit Deckel auf höchster Stufe erhitzen. Etwas Bratöl und den Broccoli hineingeben, Deckel drauf und 2 Minuten garen. Hin und wieder rütteln – so entstehen die gewünschten Röstaromen, ohne das etwas anbrennt. Den Herd ausstellen und das Gemüse weitere 2 Minuten in der geschlossenen Pfanne belassen. Dann in eine Schüssel geben und mit Sesamöl (geröstet) vermengen. Salzen und pfeffern. Einige Johannisbeeren zerquetschen und den Saft über dem Broccoli verteilen.

Zwei Dinge sind wichtig: Herd und Pfanne müssen brüllend heiß sein. Keine Angst vor Spritzen und Zischen, das macht richtig Spaß. Und der Deckel muss perfekt schließen, damit der Dampf nicht entweicht. Nur so entsteht neben den Röstaromen auch ein Garklima. Es gibt keine bessere Methode, Broccoli zuzubereiten.

Dazu könnte ich flaschenweise Auxerrois trinken. Die meist verkannte Rebsorte, die an der Obermosel noch von einigen Betrieben angebaut wird, kann herrliche Weine hervorbringen – wenn der Winzer weiß, was er tut. Ökologisch wirtschaftet, den Ertrag reduziert, im Keller fast nichts macht. Ich lasse für einen solchen Auxerrois fast jeden Weißburgunder stehen. Chardonnay sowieso. Das Weingut Ernst Hein in Temmels ist eigentlich für wunderbare Elblinge und Schaumweine bekannt. Der fulminante 2013er Auxerrois ist leider ausgetrunken, der neue (2014er) wird in wenigen Tagen gefüllt. Pünktlich zu unser Popup-Winebar in Köln.