Vegetabile Transformation 3: Stielmus (Rübstiel)

Vorher:

stielmus

Nachher:

Wenn Speiserüben (Brassica rapa ssp. rapa) auf rheinischen Äckern sehr eng gesät werden, bilden sie zwar keine Wurzeln (also Rüben). Auch nicht im Mai. Aber dann ist es meist sowieso zu spät – denn die wenigen noch traditionell anbauenden Landwirte und Gärtner haben es einzig auf die Blätter abgesehen. Der Italiener kennt das, vor allem in Apulien isst man eines meiner absolut liebsten Pastagerichte: Orecchiette con le cime di rapa. Grüner Hauptdarsteller ist hier wie dort ein Stängelkohl. Wobei in Italien eine etwas andere Varietät (Brassica rapa subps. sylvestris var. esculenta) Verwendung findet. Geschmacklich liegen beide ganz nah beieinander: leicht bitter, mit Senfölnoten und einer gewissen Säure versehen.

Rübstiel heißt am Niederrhein Stielmus; wohl weil die Kohlblätter traditionell verkocht wurden zu einem homogenen Matsch, allenfalls mit Salz, Pfeffer und Kümmel gewürzt. Wenn ich ihn dieser Tage auf dem Markt finde, knüpfe ich also ausnahmsweise einmal nicht an die Küchentraditionen meiner Mutter an, sondern erinnere mich an Francesca aus Monopoli. Vor bald schon 15 Jahren erklärte sie mir in ihrer kleinen Küche folgendes Vorgehen:

Die Stiele werden fein geschnitten und zusammen mit einer zerdrückten Knoblauchzehe, 2-3 Sardellenfilets und einer Peperoncino in reichlich Olivenöl zehn Minuten gebraten. Dann ein halbes Glas kräftigen Weißweins hinzu und einkochen lassen. In der Zwischenzeit die Pasta garen, eine Minute vorm Abgießen die Kohlblätter hinzugeben. Dann alles in einer weiten Pfanne oder im Wok – den ich für solcherlei stets verwende – gründlich durchschwenken und genießen. Viel Kochwein dazu trinken. Wohlsein.

 


Einladung auf den Archehof: Wir essen Wildeintopf am Niederrhein

Am 26. Oktober möchte ich Euch den Archehof Gut Heimendahl bei Kempen am Niederrhein zeigen. Dort werden seltene Schaf- und Hühnerrassen gezüchtet sowie Schweine, Puten, Enten und Gänse auf den umliegenden Wiesen gehalten, aufgezogen und später in der hofeigenen Schlachterei verarbeitet, veredelt und im Hofladen verkauft. Alles das kann man sich ansehen. Aber besonders lohnenswert ist das allsamstägliche Eintopfessen in der Spinnstube und im Museumsraum. An besagtem Datum könnten wir am fotografierten Tisch Platz nehmen und die legendäre Hubertus-Wildsuppe genießen. Ich kenne keine bessere.

Bei ausreichendem Interesse (mind. 10 Personen) würde ich alles organisieren. Die Anreise aus Köln bspw. dauert mit dem ÖPNV zwei, mit dem Auto eine Stunde, von Korschenbroich benötigen wir nur halb so lang. Verbindliche Zusagen bitte per Mail an mich. Fragen beantworte ich in den Kommentaren zu diesem Beitrag gerne.

Versteht dieses Angebot übrigens als eine Art Preview auf das Foodcamp Niederrhein 2020.

www.gut-heimendahl.de


SCHWARZMARKT 12 und Foodcamp Niederrhein

Es ist mir eine große Freude, an dieser Stelle auf zwei Herzensprojekte hinweisen zu dürfen. Denn die Beschäftigung mit gutem Essen und Trinken, das Forschen, Beschreiben, Verknüpfen und Schmecken (file under: foodism) findet immer dann ihren Höhepunkt, wenn Gleichgesinnte zusammenkommen, sich austauschen, feiern, Netze spinnen, Geschmäcker teilen und voneinander lernen.

Genau so wird es wieder sein am Samstag, den 28. September, um 14:00 Uhr im Kölner Marieneck. Die inzwischen schon 12. Ausgabe des SCHWARZMARKTS steht an und wiederum sind alle zu unserem kleinen aber feinen food swap eingeladen, für die zur Kulinarik zwangsläufig das Selbermachen gehört. Wer also seine Kreationen tauschen möchte mit anderen Genusssüchtigen, sei herzlich eingeladen. Weitere Infos finden sich hier.

moi

Wie einige, die hier mitlesen oder mich anderweitig online verfolgen, mitbekommen haben dürften, war ich letzten Monat Teil des Foodcamps Rheinland. Dazu folgt auch noch ein ausführlicher Bericht.  Aber alle, die mich oder sich selbst so glücklich sehen möchten wie auf dem obigen Foto (entstanden auf eben diesem Event im Marieneck – Foto: Jennifer Braun) werden im kommenden Jahr erneut die Möglichkeit haben, an einem von Johannes, Marco und mir organisierten Foodcamp teilzunehmen. Ich erwähne das jetzt schon, damit Ihr Euch den Termin freihalten könnt (30. Juli bis 2. August 2020). Und so viel sei verraten: Es wird an den Niederrhein gehen, meine Heimatregion. Weitere Details folgen.

 


Die Rote Emmalie auf dem Lenßenhof

Ich freue mich außerordentlich, dass „mein“ Biobauer Joachim Kamphausen in diesem Jahr elf statt der üblichen zehn Kartoffelsorten anbaut. Denn er hat sich entschlossen, zusätzlich zu seinen bewährten Knollen der aktuellen Kartoffel des Jahres, der Roten Emmalie, eine Heimstatt auf den Äckern des Lenßenhofs zu geben. Die Neuzüchtung ist eine Kreuzung aus den Sorten La Ratte, Baltica, Highland Burgundy Red und der alten peruanischen Landsorte Huamantango. Sie ist eine Sorte aus ökologischer bäuerlicher Züchtung – was verdammt selten ist hierzulande. Meist stammen neue Pflanzen aus den Laboren internationaler Agrarkonzerne. Wir verdanken Emmalie übrigens Karsten Ellenberg aus Barum, der manchem noch als „Retter der Linda“ im Gedächtnis sein dürfte. Er verlangt konsequenterweise keine Lizenzgebühren für die Kartoffel, was sonst bei Neuzüchtungen unüblich ist.

Joachim Kamphausen, Lenßenhof

Joachim Kamphausen vom Lenßenhof

Zusammen mit einem befreundeten Landwirt aus Schottland hatte Ellenberg Emmalie vermehrt. Dort sind die natürlichen Voraussetzungen für die Kartoffelzucht durch Wind und günstige Küstenlagen ideal. Die mittelfrühe Sorte hat eine glatte, rote Schale und ist rotfleischig. Die Pflanze blüht in apartem Rosa. Geschmack und Verwendungsmöglichkeiten der vorwiegend festkochenden Kartoffel werde ich beschreiben, wenn es soweit ist.
Vielleicht schon auf dem Hoffest, das am 17. Juni auf dem Mönchengladbacher Biobauernhof stattfinden wird. Denn der Lenßenhof feiert in diesem Jahr 25 Jahre Biolandwirtschaft. Und ich werde auch die eine oder andere kulinarische Kleinigkeit beisteuern –  wahrscheinlich zusammen mit Emmalie.


Gemüse des Monats: Winterblumenkohl

Botanisch korrekt ist die Überschrift nicht. Jahreszeiten haben in der Regel keinen Einfluss auf die Bezeichnung von Pflanzenarten und -sorten. Allerdings gibt es von vielen Gemüsen frühe, mittlere und spät im Jahr anzupflanzende Varietäten. So auch vom in Deutschland beliebtesten Blütengemüse, dem Blumenkohl. Späte Sorten wie beispielweise Belot und Dalton  bilden ihre Blütenstände (die später in den Handel kommenden Köpfe) erst nach den ersten kalten Nächten vollständig aus. Dieser Blumenkohl hat eine höhere Dichte als seine sonnenverliebten, früheren Verwandten. Die Köpfe sind kompakter, meist auch etwas kleiner – und geschmacklich deutlich präsenter. Ein solch kräftiges Blumenkohlaroma  lässt sich nur beim Herbst- und Winterblumenkohl schmecken. In diesen Tagen werden solche Kohlköpfe geerntet und in hiesigen Hofläden verkauft. (Die lockerer gewachsene Frühlingsvariante habe ich vor dreieinhalb Jahren hier beschrieben.)

Gut verhüllt bleiben die knospigen Blütenstände bis zur Ernte elfenbeinfarben. In sonnenverwöhnteren Ländern (wie bspw. Frankreich) kommt auch violetter oder grüner Blumenkohl in den Handel. In der Küche bieten sich vielfältige Verwendungsmöglichkeiten für Brassica oleracea var. botrytis L. Ob als Suppe und in Pastellateig ausgebacken, geröstet levantinisch oder aber als Quasi-Bolognese in einer deliziösen Lasagne – wie im Folgenden, von Lamiacucina inspirierten Rezept beschrieben.

Blumenkohl-Lasagne

1 Blumenkohl
Je 1 Möhre, Zwiebel und Knoblauchzehe
50 g Knollenellerie
100 g Pecorino
1 Dose Tomaten und 1 EL Tomatenmark
Lasagneblätter
0,7 L Bechamelsauce
Je 50 ml Milch und Rotwein
Salz, Pfeffer, Oregano, Zimt

Den Blumenkohl klein schneiden und krümelig hacken, auf ein Backblech legen und unter häufigem Wenden bei 170° Umluft 30 Min. im Backofen anrösten. Eine klassische Bechamelsauce zubereiten und den Käse reiben. Eine Art Bolognese kochen – nur mit Blumenkohl statt Hackfleisch: Das fein gewürfelte Gemüse (außer dem Kohl) in etwas Olivenöl anschwitzen: erst Sellerie und Mhre, dann Zwiebel, dann Knoblauch hinzufügen. Tomatenmark unterrühren, anrösten und mit Rotwein ablöschen. Blumenkohl, Tomaten und Milch hinzu und 1 Stunde simmern lassen, dann würzen. Nun in einer Auflaufform die Lasagne schichten und 50 Minuten bei 170° im Ofen garen. Vor dem Anschneiden 5 Minuten ruhen lassen. Mit einem kräftigen Rotwein und einem bitteren Salat (Radicchio, Chicorée) genießen.


Dieser Beitrag ist der fünfunddreißigste in der Reihe “Gemüse des Monats”, die in Zusammenarbeit mit dem Lenßenhof in Mönchengladbach entsteht.


Es ist zum Heulen: Rote Essigzwiebeln

Tatsächlich traurig muten in diesem Jahr vielerorts die Ergebnisse landwirtschaftlicher Mühen an. Aufgrund früher, sehr warmer Phasen, eines sehr späten Frostereignisses und nicht immer optimaler Wechselwirkungen von Trockenheit und Feuchte im Sommer fiel und fällt die Ernte unterdurchschnittlich gut aus. Hier am Niederrhein tendiert die geerntete Apfelmenge gegen Null. An der Mosel durfte ich mich letzte Woche bei der Weinlese davon überzeugen, dass beim Riesling beispielsweise zwar nur geringfügig weniger Trauben an den Rebstöcken hingen, diese aber so klein ausgefallen waren, dass beim Pressen nur minimale Saftmengen abfielen.

Feldfrüchte wie Kartoffeln und Zwiebeln hat gleiches Schicksal ereilt: Zufriedenstellende Erntemengen gab es hier bei uns nur, hätte man die einzelnen Stücke gezählt. Größe und Gewicht hingegen ließen viele Bauern traurig zurück. Nun hat all dies glücklicherweise nicht unbedingt negative Auswirkungen auf den Geschmack. Zum Beispiel schmeckt die Kartoffelsorte, die allgemein als Bamberger Hörnchen bekannt ist, aber bei Anbau anderswo als im Frankenland nicht so genannt werden darf, 2017 vom besten Biobbauern besser denn je. Und aus den vielen kleinen Zwiebeln lässt sich – zugegeben unter Tränen – doch auch einiges machen. Eine eingelegte Köstlichkeit zum Beispiel.

Dazu wird beim Schälen möglichst wenig vom Strunk und Wurzelansatz weggeschnitten, damit die Zwiebeln hübsch stabil bleiben. Ich habe dann eine Flasche Rotweinessig (500 ml, 5 % Säure) sowie eine Flasche fruchtigen Rotwein mit ein paar Esslöffeln Rohrohrzucker, etwas Salz, reichlich schwarzen Pfefferkörnern, einer Scheibe Ingwer und vier Blättern frischem Loorbeer in einem Topf gegeben, einmal aufgekocht und eine Stunde ziehen lassen. Dann die Zwiebeln drei Minuten in leicht gesalzenem Wasser gekocht, abgetropft in ein großes Einmachglas gegeben und mit dem heißen Sud aufgefüllt.

Nach zwei bis drei Wochen dunkler Lagerung sind die Essigzwiebeln fertig. Ich esse sie gerne als kleinen Appetithappen (halbiert und mit ein paar Tropfen Kürbiskernöl sowie etwas Piment d’Espelette) sowie feingeschnitten in der Füllung von Rouladen oder zu gegrilltem Gemüse.


Peter Sicker kocht – wieder

Eine der kleinen, wunderbaren Geschichten, die die Bloggerei und das semi-öffentliche Leben als Vielfraß so mit sich bringen:
Vor ziemlich genau sechs Jahren hatte ich von einem Restaurantbesuch in Brühl berichtet und von der Begegnung mit Peter Sicker. Tolles Konzept, quasi eine rheinische Variante des amerikanischen „deli“, guter Koch, feiner Mensch. Nur war damals schon klar, dass er den Laden aufgeben würde. Die vielen Jahre als gastronomischer Alleinunterhalter waren anstrengend gewesen. Er hatte andere Pläne – und war danach komplett von der kulinarischen Bildfläche verschwunden. Immer wieder fragten mich Bekannte und wildfremde Menschen, auf dem Blog, via Facebook oder persönlich – und ich fragte mich das auch recht dringend: Wo kocht Peter Sicker jetzt? Dies brachte mich dazu, dass ich bald schon wie Cato der Ältere agierte und viele meiner Postings mit dieser Frage enden ließ.
 –
Während der Suche haben sich glücklicherweise einige spannende andere Kontakte ergeben – z.B. zum tollen holländischen Koch und Patron Hubert Haenen aus Valkenburg; ebenfalls ein großer Sicker-Fan. Nur der Gesuchte blieb verschollen. Ich befürchtete schon, dass er wieder angeheuert hatte, denn – so meinte ich mich zu erinnern – hatte er als Jungkoch doch viel Zeit in salzigengen Kombüsen auf allerlei Weltmeeren verbracht. Und wir wissen ja, Fernweh ist eine Krankheit, die immer mal wieder ausbricht. Obwohl Peter einer Generation von Köchen entstammt, die ohne großflächige Unterarmtattoos auskommt. Ganz ohne Umamiverlust übrigens (aber das ist eine andere Geschichte).
 –
Ende Oktober dann hatte ich eine Mail im Postfach:
Hallo Herr Utecht!
bezugnehmend auf ihren Artikel vom 10.01.2011 und weitere Online-Kommentare bzgl. der Recherchen nach meiner Person, melde ich mich hiermit zurück.
Ich würde gerne telefonisch Kontakt mit Ihnen aufnehmen, um alles weitere persönlich zu besprechen.
Viele kulinarische Grüße vom Niederrhein!
Peter Sicker
sicker
Verblüfft und hoch erfreut griff ich zum Telefon und erfuhr die ganze Geschichte (die hier nicht hingehört, weil sie ausschließlich im Privaten spielt). Wichtig ist nur eines: es gibt ein happy end. Ab sofort kocht Peter Sicker wieder. Er hat in Wesel-Flüren den Goldenen Pflug gekauft und während der letzten Monate umgebaut. Heute ist Eröffnung, er will das alte Konzept auch an neuer Wirkungsstätte etablieren. Ich wünsche ihm von ganzem Herzen, dass das klappt. Und werde mich in den nächsten Tagen persönlich davon überzeugen und selbstverständlich berichten.
 –
Sickers Restaurant und Feinkost
Goethestr. 1
46487 Wesel-Flüren
Tel.: 0281-40540999 (ab dem 13.12. aktiv)
http://www.sickers-feinekost.de (ab dem kommenden WE aktiv)

Übrigens ist dieser Beitrag ausschließlich kulinarischer Euphorie und Empathie geschuldet.