120 Argumente gegen Vegetarismus
Veröffentlicht: November 27, 2013 Abgelegt unter: Gedankenstrom, Kulinarik, Niederrhein | Tags: Blutwurst, Himmel un Ääd, Vegetarismus 9 KommentareFallen mir partout nicht ein. Ich bemühe mich aber auch nicht nachhaltig, reicht mir doch ein einziges: Die Existenz von Himmel un Ääd. Dieser perfekte, beinahe heilige Dreiklang lässt mich zweifeln an meiner Leugnung der Existenz eines gütigen Gottes. Williger Geist, schwaches Fleisch: Auf jedwede Darreichungsform tierischer Kadaver kann ich verzichten, brauche keine Keulen zum Erdenglück. Ohne Ochsen- oder Bunte-Bentheimer-Bäckchen bekomme ich keinen kalten Truthahn, falsches Filet, lederne Lebern und paradiesische Rippen lasse ich links liegen, wenn’s drauf ankommt. Doch sobald es ans Eingemachte geht, also an Apfelkompott mit Erdäpfeln und Blutwurst, ist alles nichts. Kein Vorsatz vermag dieser Versuchung zu widerstehen. Ich armer Sünder.
120 ist in der biblischen Numerologie übrigens die Zahl des Endes allen Fleisches. Sich mit solchen Überlieferungen auseinanderzusetzen, bringt bisweilen Erkenntnisse, die über den eigentlichen religiösen Spökes weit hinausgehen. „Da sprach der HERR: Mein Geist soll nicht immerdar im Menschen walten, denn auch der Mensch ist Fleisch. Ich will ihm als Lebenszeit geben hundertundzwanzig Jahre.“ Menschliche Fleischmassen, geistlos. Schönes Bild, das die Phänomenologie und Lebenswirklichkeit heutiger Hominiden hübsch auf den Punkt bringt. Ich lass also folgerichtig von Fleischeslust mich leiten und brat mir ’ne Wurst. Denn wenn die Manifestation einer höheren Macht, eines transzendenten Wesens möglich ist, will ich dies auch reproduzieren können. Und fürwahr, es gelingt mir regelmäßig, in der Gesindehausküche, in Form der Garwerdung der Dreifaltigkeit von Blutwurst, Berlepsch und Bintje.
Exkurs zur Wurst:
Gemeint ist hier die im Deutschen Lebensmittelbuch definierte „Blutwurst mit Speck, Schwarte, Schweinemaske“, also Rheinische Blutwurst, Flönz oder Frische Speckblutwurst. Ich verwende niemals (kalt) geräucherte Wurst, auch wenn dies konsistentuell Vorteile hätte. Doch die Raucharomen empfinde ich bei dieser zu bratenden Darreichungsform als störend. So verwende ich frische Blutwurst und muss den Kompromiss leichten Mehlierens eingehen.
Auch wenn es kein deutsches Äquivalent zur französischen Confrérie des Chevaliers du Goûte Boudin gibt, fühlen sich doch eine Reihe von Metzgern in den ehemaligen französischen Rheinprovinzen der Lehre von der reinen Wurst verpflichtet. So auch Udo Erkes aus Glehn, der seine eigene Herde Schwäbisch-Hällischer-Landschweine hält und bei Bedarf schlachtet.
Blutiges
Veröffentlicht: Januar 25, 2012 Abgelegt unter: Kulinarik | Tags: Blutwurst, Himmel un Ääd, John Darnielle, Kartoffeln, Mountain Goats, rubinette, schwartenbrei, The house that dripped blood 4 KommentareEine handwerklich sauber produzierte, frische rheinische Blutwurst hat einen Schweineblutanteil von ungefähr 35 %. Die Konsistenz jedoch wird durch den Hauptbestandteil (40 %), die Gallertmasse – auch Schwartenbrei genannt – manifestiert. Dazu werden Schweineschwarten butterweich gekocht und dann mit Zwiebeln hübsch zu einer cremigen Masse gekuttert. Nun wird ebenfalls heiße Brühe untergerührt. Abkühlen. Und nachdem das Ganze dann weniger als 50° warm ist, kommen Blut und Gewürze hinzu. Gegebenenfalls werden kurz vor dem Einfüllen in die Därme noch kleingeschnittene Fettstücke untergemengt.
Ich esse oft Blutwurst. Doch seit dieser Abendesseneinladung habe ich vermehrt über Verpackungsmöglichkeiten für dieselbe nachgedacht. Schließlich bin ich gedanklich bei einer Variation des beliebten Themas „Himmel un Ääd“ gelandet – und habe gestern Abend den rheinischen Vierklang von Kartoffel, Apfel, Zwiebel und Blutwurst folgendermaßen umgesetzt:
Mehlige Kartoffeln gekocht, gepresst und mit einem Ei, Kartoffelstärke und wenig Weizenmehl zu einem weichen Teig verarbeitet. Mit Salz und Muskat gewürzt und für eine Stunde in den Kühlschrank gelegt. In der Zwischenzeit ein Kompott von roten Zwiebeln gekocht, mit braunem Zucker, Salz und etwas Nelke sowie reichlich Spätburgunder. Wenn der verkocht, mehrmals aufgefüllt und mit einem Schuss altem Balsamico abgeschmeckt. Frische, gut gewürzte Bioblutwurst in dicke und eine Rubinette in dünne Scheiben geschnitten.
Nun zügig den Teig ausgerollt, rund ausgestochen und mit Wurst und Apfel belegt. Mit einer weiteren Teigscheibe verschlossen und in heißem Rapsöl frittiert. Schnell gegessen – denn schon nach kurzer Zeit wird die leidlich krosse Hülle weich. Vom Zwiebelwein war noch ein Rest in der Flasche – der 2006er Edition Ponsart der WG Mayschoß passte gut zum blutigen Mahl.
Mit blutigen Metaphern musikalisch umzugehen ist eine Kernkompetenz des wunderbaren John Darnielle, der in der Regel unter dem Namen Mountain Goats veröffentlicht. Über die Jahre ist daraus eine richtige Band entstanden, was seinem zornig-neurotischen Vortrag leider bisweilen etwas die Prägnanz nimmt. Daher als Beispiel hier ein Song vom puristischen 2002er Album Tallahassee: The house that dripped blood ist die musikalische Umsetzung eines Themas, das schon der gleichnamige britische Horrofilm aus dem Jahre 1970 als Plot hatte.
Fallobst und Flöns
Veröffentlicht: August 9, 2010 Abgelegt unter: Kulinarik, Niederrhein | Tags: Äpfel, Blutwurst, Fallobst, Fink, Flöns, Himmel un Ääd, Kartoffelpüree, Kompott 4 KommentareNach den unzählig-überflüssigen Regentagen liegt der Garten voller Äpfel. Zwar nicht völlig ausgereift, aber durchaus aromatisch. Mit etwas zuviel Säure noch, also Kompott. („Shuffle und Kompott“ von der letzten Fink-Platte „Haiku Ambulanz“ passt dazu selbstredend.) Kartoffeln und Zwiebeln liegen im Keller, Blutwurst noch in des Fleischers Auslage.
Zwei Töpfe, zwei Pfannen. Kartoffeln und Äpfel schälen, mit wenig Salz und etwas mehr Zucker und jeweils Wasser garen und zu Pürree (unter Beigabe von Milch, Muskat und Butter) und Kompott (mit nichts weiter) verarbeiten. Zwiebeln karamellig braten. Die Blutwurst halbieren, mehlieren (muss leider sein) fast kross werden lassen.
Anrichten.
Eigentlich ein Blitzrezept, um mal bei den meteorologisch-religiösen Metaphern zu bleiben. Sündhaft heftig. Genießen und später etwas Sport. Vielleicht.