Gemüse des Monats: Rhabarber

Das rotgrüne Stangengemüse ist gewissermaßen das hässliche Entlein im Frühlingsquartett der saisonalen Feldfruchtstars. Spargel, Bärlauch und bald Erdbeeren haben einen deutlich größeren Glamourfaktor und sind entsprechend massenkompatibler. Da kann das sauersüße Knöterichgewächs nicht mithalten und verbreitet eher den diskreten Charme der Unterschätzten. Weil das kletschige Kompott aus Großmuttes Küche so gar keine romantischen Assoziationen  aufkommen lässt, sondern noch in der Erinnerung pelzigen Zahnbellag fühlbar macht. Auch die sonntägliche Kaffeetafel wurde nur deshalb zur Rhabarberzeit nicht zur No-go-Area, weil in der Regel ausreichend süßer Eischnee in Baiserform das seltsame Obst, das doch Gemüse ist, verbarg.

rharbDass Rheum rhabarbarum ursprünglich ein Asiate ist und erst vor ein paar hundert Jahren über Russland und Frankreich seinen Weg in unsere Gärten fand, leuchtet bei seiner süßsauren Brillianz durchaus ein. Ambitionierte Köche lassen in ihren Kreationen diese Herkunft immer wieder anklingen, indem sie ihn beispielsweise als Gemüse dämpfen und zu Fisch reichen, als filigrane Vinaigrette zu über offenem Feuer gegartem Grünzeug  oder als Süppchen mit Ingwer und Chili. Mut zahlt sich bei Rhabarber meistens aus, auch wenn er klassisch seinen Platz im Dessertgang findet.  Wenn beispielsweise Tim Raue rote Bete, Koriandergrün, weiße Schokolade und Rhabarber kombiniert, ist das grandiose Ergebnis erst einmal der großen Kunst des Arrangeurs geschuldet – weist aber doch auch jedem Amateur die Richtung für eigene Experimente.

Eine Möglichkeit, dies Gemüse haltbar und auch noch nach der Erntezeit verfügbar zu machen, ist die Herstellung von Rhabarberketchup. Der schmeckt, dank der Kombination mit Tomaten, nicht nur gefällig, sondern ist auch vielseitig einsetzbar und macht schon in geringen Dosen süchtig.

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Rhabarberketchup

200 g Rhabarber
100 g Passata
75 g rote Zwiebeln
50 g brauner Zucker
30 g Apfelessig
1 frisches Lorbeerblatt
1 Nelke
Salz, schwarzer Pfeffer

Den Rhabarber entfädeln und klein schneiden, die Zwiebel in Würfel und dann alles zusammen in einem weiten, schweren Topf zum Kochen bringen. 30 Minuten leicht simmern lassen und dann – nach Entfernen der Gewürze – einmal mit dem Pürierstab durchmixen. In ein sterilisiertes Twist-off-Glas (200 ml) füllen. Hält theoretisch Monate. Variante: Einen Teil des Zuckers durch Apfelsaftkonzentrat (Apfeldicksaft) ersetzen sowie eine halbe Vanilleschote mitziehen lassen. Passt gut zu fast allem, was gegrillt oder gebraten wird. Aber auch zur Tortilla und zu manch kräftigem Blauschimmelkäse.


Dieser Beitrag ist der achtzehnte in der Reihe “Gemüse des Monats”, die in Zusammenarbeit mit dem Lenßenhof in Mönchengladbach entsteht.

 


Xiao Nan Gua Chao Fan Qie

Was nichts anderes heißt als „Zucchini mit Tomaten“. Da dieselben ja momentan Hoch-Zeit feiern, aber zumeist standardisiert mediterran zubereitet werden, suchte ich eine Alternative und fand sie bei Ho Fu-Lung. Dessen 1993 im Berner Hallwag-Verlag erschienenes Werk „Aus Chinas Küchen“ ist bis heute mein liebstes Asia-Kochbuch.

Ho Fu-Lung: Aus Chinas Küchen

Ho Fu-Lung: Aus Chinas Küchen

An dieser Stelle starten Puristen gerne mal die Authentizitäts-Debatte – Hos Rezepte sind bestimmt europäisiert. Wer jedoch den Geruch von tausendjährigen Eiern oder die Vorliebe für Knorpel und Gekröse leidvoll erfahren hat, aber solcherlei nicht zu liebsten Sinnenfreuden zählt – muss dennoch nicht auf einen lehrreichen Zugang zu Chinas Küchen verzichten. Das heute nachgekochte Gemüsegericht ist zugegebenermaßen untypisch simpel, dennoch äußerst passend zum frischen Lieblingsbrot.

Zucchini mit Tomaten

Zucchini mit Tomaten

Anmerkungen des Kochs: Statt fünf Esslöffel Öl reichen zwei. Der Ketchup war natürlich selbstgemacht. Zucker habe ich keinen verwendet. Pfeffer = Cayenne. Das Öl zum Abschmecken enstammt Walnüssen.

Dazu höre ich einen der schlimmsten Ohrwürmer der Popgeschichte, hier aber in äußerst charmanter Interpretation der gerade extrem gehypten Coeur de Pirate aka Béatrice Martin aus Montreal. Unterstützt von Julien Doré.


Gegrilltes mit eigenem Ketchup

Klingt profan, ist aber einfach und gut. Nur dass dabei nicht Fleischiges oder Meerestiere im Mittelpunkt standen (obwohl Lachssteaks und frische Lammbratwurst vom Stautenhof über der Holzkohlenglut garten), sondern ein Tribut an die anwesenden Julian und Celina. Wenn Kinder Unbekanntes aufgetischt bekommen, auch wenn es spektakulär auf dem Grill raucht und brutzelt, brauchen sie als Entscheidungshilfe etwas bewährt Leckeres. Ketchup als Katalysator quasi. Eigentlich ist die rote Pampe so gar nicht meins, doch wagte ich eine Improvisation mit Tomate. Und die ging so:

Eine Schalotte feinstgeschnitten mit etwas Olivenöl bei milder Hitze in die Kasserolle geben, mit frischem Knoblauch ebenso verfahren. Mit weißem Balsamico und Riesling benetzen – aber erst, wenn der Topfinhalt weich ist, denn nun stoppt der Garprozess abrupt – und Flüssigkeit verdampfen lassen. Dann zwei Teelöffel Honig, einige zerkleinerte getrocknete Tomaten und eine Flasche (lt. Etikett 690 g) passierte Biotomaten hinzugeben und um die Hälfte reduzieren. Für den Feinschliff wenige schwarze Pfefferkörner in der beschichteten Pfanne erhitzen und dann mit grobem Meersalz mörsern und nach Gusto würzen. Eventuell noch etwas Cayenne zugeben. Den Herd auf Null fahren, den fast fertigen Ketchup aber auf der Platte belassen, denn nun wird mit einem Lorbeerblatt und ein bis zwei Zweigen Thymian aromatisiert. Wenn das Ganze abgekühlt ist, die Kräuter entfernen. Perfekt in Konsistenz, Farbe und Geschmack steht die Entscheidung fest: Nie wieder einen Cent verdient die H. J. Heinz Company an mir.

Ketchup

Ketchup

Der Erfolg war durchschlagend. Selbst die gesunden Sachen wie das dieses Mal mit dem Abrieb einer Zitrone veredelte Tzatziki, der Bauernsalat oder die Vollkorndinkel-Variante des No-Knead-Breads mundeten offensichtlich. Für den Freundeskreis gab’s Champagner und Schumacher dazu. Ein schöner Tag.

Dazu passt: Katharina Franck – Das finde ich schön