Erinnerung an Vietnam

Beim Überarbeiten der Blogroll – ein unerfreuliches, mühseliges, wenig zielführendes Unterfangen, das ich umgehend abgebrochen habe – kam mir Vietnam in den Sinn. Und zwar wortwörtlich: Ich konnte es schmecken, riechen, sehen, hören. Keine Reise hat mich je mehr beeindruckt, als dieser kulinarische Initiationsritus vor nun schon bald sieben Jahren. Zwischen Hanoi, Hue und Ho-Chi-Minh-Stadt habe ich mein Herz verloren an die vietnamesische Küche und eine Menge gelernt in Bezug auf den Dreiklang von Komplexität, Ausgewogenheit und Minimalismus als Kennzeichen ursprünglich überlegener Kochkunst. Dass damals auch mein erster Foodblog entstand, ist nicht grundlos in Vergessenheit geraten, nur einige Bilder haben die Zeit überdauert. hue La cuisine blanche war ein Blog, der lange Zeit als Trigger funktionierte. Las ich dort, war ich unvermittelt zurückversetzt nach Südostasien. Bilder von bestechender Qualität und Texte von kulinarischer Exzelenz wurden dort gepostet – und zwar von der deutsch-vietnamesischen Grafikdesignerin Ly Thanh Le. Leider herrscht seit über drei Jahren Funkstille.  Und fast vier Jahre ist es schon her, dass ein neues Rezept auf vietkochen eingestellt wurde. Das Vietnamesische Kochbuch war mit stets erste Anlaufstelle bei Basisfragen zu Kochtechniken und Zutaten. Besonders spannend war der gelungene Transfer des vietnamesischen Geschmacks in die deutsche Produktrealität. Nach so langer Zeit ohne neue Beiträge habe ich beide Seiten aus meiner Linkliste entfernt, schweren Herzens. Und nicht, ohne sie hiermit noch einmal wärmsten zu empfehlen. Danach wurde wenig besseres zum Thema „Genuss aus Vietnam“ im Netz veröffentlicht.


Unphew kulinarisch: Gebratene Nudeln +

Warum hier zum wiederholten Male eine Variante des vietnamesischen Klassikers – gebratene Bánh phở mit Gemüse und Fleisch – beschrieben wird? Weil es Felder gibt, auf denen selbst ich als bekennender Improvisateur und Kochkonventionskritiker nach Perfektion strebe. Die niederrheinische Adaption klassischer nordvietnamesischer Küche gehört unbedingt dazu. Wenn dann noch der Mensch zu Besuch ist, mit dem zusammen ich das alles dereinst an Originalschauplätzen aß und der mir meine Erinnerungen bebilderte, komme ich nicht umhin, den Wok zu schwingen.

Mangold, Rindfleisch, eingelegte Zwiebeln auf gebratenen Nudeln (Banh Pho)

Mangold, Rindfleisch, eingelegte Zwiebeln auf gebratenen Nudeln (Banh Pho)

Unphew hieß  das Team aus schreibendem Onkel und fotografierendem Neffen, das 2008 eine gute Zeit lang zwischen Hanoi und Saigon unterwegs war, um alles zu essen, was ihnen an Straßenrändern angeboten und auf edel gedeckten Tischen serviert wurde. Der Blog, der damals als kulinarisches Reisetagebuch entstand, ist inzwischen offline – aus Gründen, die zu erzählen mehrere Geschichten ergeben wird. Bald, hier. Ein paar Fotos immerhin sind noch verfügbar.
Hilfreiche Unterstützung bei aromatischer Erinnerungsarbeit bietet immerhin Bunzel mit ihrem Blog, aus dem auch das nunmehr zu bereitende Rezept stammt: Phở xào truyền thống – Gebratene Reisbandnudeln auf traditionelle Art.

Meine Liebe zur vietnamesischen Küche gründet nicht zuletzt darin, dass sie leicht, einfach und prägnant ist. Beim Selbstversuch sind jedoch ein paar basale Hinweise zu beachten: 1. Ohne präzise Vorbereitung ist alles nichts. 2. Kein Salz. 3. Der Kräutergarten ersetzt das Gewürzregal. 4. Es muss nicht immer Fischsauce sein; aber fast immer. 5. Schärfe ist völlig überbewertet. 6. Der Wok im Haus ersetzt den Chinamann. 7 ist eine angeblich heilige Zahl, und da mir transzendentale Vorgänge nur beim Wechsel der Aggregatzustände während des Garprozesses geheuer sind, beende ich an dieser Stelle das Theoretisieren und komme zur Sache.

Eingelegte Zwiebeln mit Zitronenaroma

Eingelegte Zwiebeln mit Zitronenaroma

Von einer Art Zwiebelsalat balanciert der Vietnamese zu jedem Bissen dieses Gerichts ein paar Schnitze auf den Stäbchen. Feine halbe Ringe schneiden und in einem Sud aus dem Abrieb und Saft einer Zitrone (zugegeben, hier verwendet der gemeine Südostasiate eher Essig), etwas warmem Wasser, wenig Zucker und Chili marinieren. Für die Hành tây giầm dấm habe ich übrigens die ersten eigenen Zwiebeln (Stuttgarter Riesen) geerntet.

Koch- und Essensbegleiter

Koch- und Essensbegleiter

Für den Fleischteil des Gerichts habe ich mir von Manfred Bauten dünnste Scheiben aus der Oberkeule eines netten Rinds schneiden lassen, wie ich sie auch für Rouladen verwende. Diese wiederum werden in 3 cm breite Streifen geschnitten und mit Fischsauce, Pfeffer, Knoblauch und Zwiebelwürfeln mariniert. Je länger, desto zarter wird das Ergebnis. Portionsweise in heißem Öl und wiederum unter Zugabe von Knoblauch und Zwiebeln pfannenrührend garen. Nach höchstens 30 Sekunden ist der Drops gelutscht. Beiseite stellen, die ausgetretene Flüssigkeit aufheben.

Die Reisbandnudeln kommen nun in den Wok, nachdem sie zuvor mindestens eine halbe Stunde im warmen Wasser eingeweicht wurden. Zusammen mit den beliebten Begleitern Zwiebel und Knoblauch werden die Bánh nun unter häufigem Bespritzen mit Fischsauce bewegt gegart, immer mal wieder einen Schluck Wasser hinzu – das vermeidet das Ansetzen.

Schließlich Gemüse: Weder Pak Choi, noch vietnamesischer Rapa, sondern heller Mangold. Das Beet ist nun leer; schade. Waschen, klein schneiden und zusammen mit den üblichen Verdächtigen im Wok garen. Mit dem Bratensaft aromatisieren.

Ich habe Thaibasilikum, Minze und das noch knackigfrische Grün der Zwiebeln zur Hand. In Ringe und Streifen geschnitten wird je eine Hand voll über die angerichteten Teller gestreut. Und dass Moselriesling das perfekte Getränk zu vietnamesischem Essen ist, erwähnte ich bereits. Heute habe ich eine besonders passende Flasche geöffnet.
Ach ja: Die Photos machte der Neffe – es hat ihm geschmeckt.


Cà bung mit Guro von Germeten

Heute freue ich mich auf Cà bung – Auberginensuppe mit Tofu. Mein Dank gilt jetzt schon Bunzel und Ihrem tollen Blog. Das Stöbern darin lässt stets meine Vietnam-Erinnerungen in Nase und am Gaumen kräuterfrisch zurückkehren. Übrigens: Noch in diesem Monat geht der 2008 entstandene Food-Reiseblog „UNPHEW in Südostasien“ als Archivversion wieder online.

Neben Vietnam ist Norwegen noch so ein Lieblingsland. Eher nicht kulinarisch, vielmehr emotional musikalisch. Seit zehn Jahren nunmehr gilt „Quiet Is the New Loud„. Und beinahe ebenso lang sind die ebenfalls aus Bergen stammenden AI Phoenix Lieblingsband. Doch jetzt kommt da eine offensichtlich klassisch Gesangs-Geschulte und Akkordeon spielende Polkaqueen aus Oslo daher und mixt Trübsal-Blasen mit Bohème, Stil mit großen Gefühlen. Guro von Germeten spielt die Musik dieses Tages und ich trinke zimmerwarmen Linie-Aquavit dazu.