Tiella barese: Kartoffeln, Reis, Muscheln

Bari kenne ich von vielen Reisen in den Süden Italiens. Ich habe dort oft Quartier gemacht, obwohl selbst wohlmeinende Reiseführer die Hauptstadt eher als Durchgangsstation behandeln bei der Erkundung Apuliens. Zu wenig pittoresk für teutonische Kulturtouristen fordert die Industrie- und Hafenstadt mindestens den zweiten Blick. Ich habe die Region in einer Phase meines Lebens mehrmals und intensiv bereist, als ich alleine unterwegs war und mich fast ausschließlich via Couchsurfing Land und Leuten genähert habe. Circa acht Jahre ist das jetzt her und viele Erinnerungen sind noch ganz wach. An Maurizio zum Beispiel, den kommunistischen Unidozenten (prächtige Institution übrigens, diese Università degli studi di Bari Aldo Moro), mit dem ich viele Ausflüge gemacht habe ins Umland zu seinen Oliven und Wein anbauenden Hippiefreunden; an Mia aus Monopoli, die als Hobbyköchin und Nicht-Mama häufig im italienischen Trash-TV unterwegs war – sie hat mir den Trick mit den gefüllten frittierten Oliven gezeigt; nicht zuletzt an Francesca und Pepe, die in einer düsteren Gasse unweit des Bahnhofs die beste Focaccia der mir bis dahin bekannten Welt buken.

La tiella ist ein durch und durch proletarisches Gericht, eine urwüchsige Verbindung von Erde und Meer, ein Essen zum kräftigen Schoppen, wahrscheinlich eine Resteverwertung, ursprünglich. In den einfachen Kneipen in den Vororten wird sie immer noch in großen Auflaufformen im Ofen gebacken und den Zechern mittags als Grundlage für einen gelingenden Tag aufgetan. Es gibt hier und da auch gepimpte Varianten, häufig wird von Verwandtschaft zur spanischen Paella gefaselt – ich halte das alles für Blödsinn. Die apulische Kombination von riso, patate e cozze, die im Ergebnis immer von einer wuchtigen Homogenität ist, hat kaum Feinheit, schon eine Metaebene wäre Dichtung. Stattdessen ist sie von einer verlässlichen Belastbarkeit und verspricht berechenbares Wohlbefinden. Und natürlich und ganz offensichtlich ist der Reiz für uns Nordländer  die unerwartete Kombination von Rundkornreis und Meeresfrucht mit „unserer“ Kartoffel.  Der Rest ist die Kunst des Weglassens, wie sie nur „der Italiener“ beherrscht.

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Genug der Plattitüden, hier nun die Vorgehensweise, damit das Gefühl „schummrige Hafenspelunke“ auch am tristen, dunklen Niederrhein sich einzustellen vermag. Zuerst werden Miesmuscheln küchenfertig vorbereitet und in einem pfeffrigen Sud aus Weißwein und Wasser kurz gegart, bis sie sich öffnen. Shabby-Chic-Apologeten und männliche Bloggermädchen lassen nun die Schalen dran, der fotogenen Deko wegen. Ich pule. Und schneide dann Kartoffeln (vorwiegend festkochende wie beispielsweise die Rote Desiree) und Zwiebeln in Würfel und mische alles mit ordentlich Olivenöl und Arborio in einer weiten Auflaufform. Ein paar halbierte Kirschtotmaten schaden eigentlich nicht, wobei dies im Winter eine eher überflüssige Zutat ist. Übrigens Winter: Eigentlich kommt noch eine Menge Petersilie in das Gericht. Doch das lasse ich bleiben, weil Februar ist, und begehe stattdessen eine Sünde, in kochdogmatischer Sicht. Ich ersetze den Geschmack des Doldenblütlers durch ein paar Fäden Safran. Aber eigentlich bereue ich nix, denn es war gut, geschmacklich. Obendrüber kommt eine Mischung aus Semmelbröseln und Pecorino und angegossen wird mit dem gesalzenen Muschelsud. Nach 50 Minuten im Ofen riecht es, als säße ich einer Kneipe, in einer Seitengasse des Corso Vittorio Veneto und fühlte mich zuhause.


Ein Reisgericht vom Hindukusch

Tschalau Katschalu, so meine ich nach der Lektüre einschlägiger Wörter- und Kochbücher und Befragung einiger Zugereister, könnte im Afghanischen ein Gericht aus Reis und Kartoffeln heißen. Katschalu bedeutet Kartoffeln, das ist eindeutig. In dem wirklich hervorragenden kleinen Büchlein „Vegetarisch kochen afghanisch“ wird die Kombination jedoch Katschalu-e-Dompochti geheißen. Was „Dompochti“ sein soll, bleibt mir unerklärlich. Daher wähle ich den Begriff „Tschalau“, der häufig in der Region für Reisgerichte Verwendung findet. Sprachverwandt mit „Palau“ – und von diesem Wort gibt es eine direkte Verbindung zum „Pilaw“.

Womit kundige Leser wissen, wie ich den Reis zubereitet habe: Erst gekocht, dann gedämpft. Nur so lässt sich die lockere Struktur erreichen, die ich so liebe. Und durch das kurzfristig starke Erhitzen, mit dem das Dämpfen eingeleitet wird, ergibt sich die Krönung solcher Zubereitungen, die krosse Kruste.

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Ich habe in reichlich Öl Zwiebelwürfel angebraten, eine feingehackte Tomate hinzugegeben und zwei gewürfelte Kartoffeln. Dann eine Tasse Langkornreis (Vollkorn) und zwei Tassen Gemüsebrühe. Mit etwas Salz abgeschmeckt und das Ganze bei geschlossenem Deckel köcheln lassen, bis die Flüssigkeit fast verdampft. Dann noch einen guten Schuss Wasser hinzu, ein Tuch übern Topf, Deckel drauf und kurzfristig volle Hitze gegeben. Als ich hörte, dass sich am Topfboden etwas tut, was man eigentlich vermeidet beim Kochen, den Herd ausschaltet und das Ganze noch 30 Minuten ruhen lassen. Erst danach den Deckel wieder geöffnet und gestaunt über die perfekte Konsistenz dieses Reisgerichts.

Dazu habe ich, weil’s da war, in der heißen Pfanne mit wenig Öl halbierten Rosenkohl, einen Kräutersaitling und Berberitzen mit ein paar Körnern Kardamom gebraten. Ideal dazu passt dann auf dem Teller ein Löffel vollfetter Joghurt und etwas Dill. Und ein Glas Apfelsaft. Oder Riesling, wie immer.


Mangold. Chorizo. Reis.

„Dass der Niederrheiner nix weiß, aber alles erklären kann, dat wissen se ja. Un oft genug weiß er nix Genaues un sacht dann einfach: So ähnlich jedenfalls.“
Blogposts geliehene Zitate voranzustellen, ist eine feuilletonistische Masche, die ich nicht mag. Da wir Niederrheiner aber nicht nur Schwadroneure sind, sodern auch die Erfinder der Inkonsequenz, beginne ich mit Hanns Dieter Hüsch. Er ist der geistige Vater meiner inexistenten Kochrezepte. Die Beschreibungen dessen, was ich in der Küche tue, sind allenfalls Annäherungen. Weil es mir Spaß macht, Fährten zu legen und gleichzeitig mit Nebelkerzen zu werfen. Präzise Anleitungen langweilen mich. Und Überheblichkeit halte ich bisweilen für eine Zier.

Hüsch hatte klumpige Füße. Die Wikipedia verkürzt seine frühe Vita beinahe bösartig: „Hanns Dieter Hüsch wuchs in den schwierigen 1930er Jahren in der niederrheinischen, vom Bergbau und von kleinbürgerlichen Verhältnissen geprägten Kreisstadt Moers als gehbehinderter Sohn protestantischer Eltern auf. “ Was sich wie eine posthume Beleidigung liest, bringt Prägendes auf den Punkt. Die Jugendzeit war Leidensphase, er verbrachte große Teile davon in dem Ort, in dem heute mein Acker ist. Süchteln hat nicht nur seit über 100 Jahren die größte Nervenheilanstalt der Region, sondern ebenso lang eine auf demselben Gelände gelegene orthopädische Klinik.

Für mich hat just hier die zweite Mangolderntephase begonnen. Hartnäckiges, üppig wucherndes, verblüffend hellgrünes Grünzeug. Nun war heute auch der Sommer 2011 und die Lust auf langwierige kulinarische Versuchsanordnungen entsprechend gering. Und der Entschluss schnell gefasst, Gemüse mit Reis zu machen. Allerdings völlig freestyle, auf italienische Art, mit spanischer Wurst, maghrebinischen Aromen und eben Mangold.

In der schweren Pfanne ließ ich dünne Scheiben von der Wurst langsam aus. Die krossen Chips fischte ich heraus und in das ausgetretene Fett gab ich eine gewürfelte Zwiebel und ebensolche Mangoldstiele, etwas Knoblauch. Bald den Reis. Etwas Wein – besser: Lambrusco – und reichlich Gemüsebrühe hinzu, nach und nach. Ebenso etappenweise feingeschnittene Mangoldblätter. Die mähliche Verfärbung des Gemüses störte mich heute nicht. Um aber etwas Frische zu bewahren, kam ein restlicher Schwung erst jenseits der Herdhitze mit der Butter und dem Käse hinzu. Vorher jedoch würzte ich mit zwei bis drei Prisen Ras el Hanout.

Mangoldrisotto mit Chorizoaroma und -chips

Mangoldrisotto mit Chorizoaroma und -chips

Zitronenabrieb sorgt für Frische. Mehr oder weniger. Niederrheinisch präzise halt. Aber lecker. Eigentlich wär das hier übrigens als „Niederrheinische Reispfanne“ auch etwas für ein aktuelles Buchstabenkochblogevent. Dazu müsste ich aber weiter ausholen, über die Franzosenzeit hin zur preussischen Rheinprovinz kommen, oder so ähnlich. Ein ander Mal…


Salbeileber mit Paprikareis

Dazu passt: LaBrassBanda – znaxt.

Balkanesisches floss in meinen kulinarischen Hirnlappen, dieweil ich heute morgen über den Markt ging und beim Metzger Richard Hoff verweilte. Seine Frau bediente eine 89jährige Mitbürgerin, die eine Saure-Bohnen-Suppe plante. Unter Einbeziehung aller Umstehenden. Schlussendlich hatte sie Markknochen, eine Speckschwarte, geräucherten Speck, ein Schweineschwänzchen und Bratwurstbrät im Korb. Wäre gerne ihr Gast gewesen, mittags. Ich erstand Kalbsleber und Blutwurst.

Himmel un Ääd gibt es morgen, ich hatte noch zwei rote Paprikaschoten im Haus und den Garten voller Kräuter. Also kochte ich ordinären Langkornreis in Gemüsebrühe bissfest. Währenddessen befreite ich mittels eines Sparschälers die Schoten von ihrer Haut, entkernte sie und schnitt salmiakpastillengroße Stücke. Eine Schalotte und eine Knoblauchzehe fanden mit Hilfe von etwas Olivenöl und milder Hitze den Weg in ein besseres Leben. Paprika dazu, nach einer Minute Salz, Pfeffer, Chili und den Reis. Einen Löffel Ketchup vom Wochenende. Ein Schuss Spätburgunder von Arndt F. Werner und ein Haufen grob geschnittener Basilikum. Es gibt Reis, Baby.

Salbeileber mit Paprikareis

Salbeileber mit Paprikareis

Nun gibt es ja Puristen, die niemals Basilikum und Salbei auf einem Teller ein Stelldichein feiern lassen. Ich gehöre nicht dazu. So wurde die leider etwas unregelmäßig geschnittene Leber in einem Butter-Olivenöl-Gemisch von jeder Seite zwei Minuten recht kräftig gebraten, nach dem Wenden kamen reichlich Salbei und ein Spritzer vom guten Balsamico ins Spiel. Zusammen schmeckte das dann erdig und süßlich und durchdringend aromatisch. Von der Textur mal ganz zu schweigen…