Warum ich also doch ein kleinbürgerlicher, deutscher Kulinarikspießer bin
Veröffentlicht: Juli 29, 2015 Abgelegt unter: Kulinarik | Tags: Koeln, sant angelo, spaghetti, trattoria 6 KommentareWeil ich auf der Suche nach einem Mittagstisch, nach einfacher wie schneller und guter Büropausenverköstigung, erst hier vorbei kam: Auf der Karte am Eingang etwas von „Promo Business Lunch: 15,-“ und angeblich edlem Fleisch las – und intuitiv eine Abneigung entwickelte, die mit nichts begründet war als mit dem ersten Eindruck. Später dann las ich die angebliche Geschichte von Riccardo Lorefice, den Anfängen auf Malta und der kürzlich eröffneten Dependance hier am Kölner Hansaring. Blitzeblanke Oberfläche. Zu glatt, für meinen Geschmack. Auch das Rechercheergebnis war nicht dazu angetan, mein Interesse nachhaltig zu wecken. Zumal eines der ersten Suchergebnisse ein eher negativer Bericht eines Bloggerkollegen war. Und überhaupt ist mir die beinahe totale Fokussierung auf Fleisch als einzigem konzuptuellen Ansatz einer Lokalität nicht sympathisch. Ich ging also weiter, wenige Meter nur – und las dies:
Das andere Ende der kulinarischen Fahnenstange. Zudem ein leichtes Opfer genusskritischer Betrachtungen. So ließ ich mich gar nicht erst auf eine inhaltliche Auseinandersetzung ein, sondern entschied mich auch gegen diesen neuen Laden, weil er schlicht vollkommen leer war. Also nicht nur bar jeglicher Gaumenversprechen – nein, außer einer gelangweilten Thekenkraft befand sich kein Mensch darin. Wieder weiter. Bis ich um eine Ecke bog, und dies erblickte:
Ein Klischee von einem Viertelsitaliener. Kölsch Apulien am Rande der Altstadt-Nord. Einen kleinen Insalata mista, üppige Spaghetti alla puttanesca, ein zum Glück viel zu kalter Lugana und ein leicht bitterer Espresso für 14,30. Serviert von einem leise Schlager singenden Padrone. Senioren aus der Nachbarschaft, wenige Medienmenschen, Studenten sitzen an blanken Tischen im aus der Zeit gefallenen Gastraum. Keine Anzugträger, keine Hipster. Pures Glück für mein kleines Spießerherz.
Sprossenkohlsprossen-Spaghetti
Veröffentlicht: März 28, 2015 Abgelegt unter: Kulinarik | Tags: cime di rapa, Riesling, spaghetti, sprossen 3 KommentareOrecchiette con le cime di rapa sind mit großem Abstand meine liebsten Gemüsenudeln. In ihrer schlichten Brillianz werden sie von keiner anderen Teigwaren-Grünzeug-Kombination übertroffen. Wie bei vielen italienischen Standards sind aber die Qualität der Zutaten – und wann findet sich in rheinischen Gefilden schon einmal akzeptabler Knospenkohl – und absolute Originalrezepttreue vonnöten. Und: niemals Reibekäse.
Varianten und freie Interpretationen allerdings sind erlaubt, wenn sie sich ihrer Tradition bewusst sind, Bezugspunkte klarmachen und eventuelles Hinzufügen oder Weglassen schlüssig ist. Wie die Broccolinummer, weil eben kein Rapa zu bekommen war. Oder jüngst der Versuch mit Sprossen.
In meiner Jugend, in den öden 80ern des letzten Jahrhunderts, war die heimische Sprossenaufzucht sicheres Kennzeichen für lustfeindliche Körnerfresser und Latzhosenträger. Leute mit einem Faible für Kresse, Bockshornklee, Alfalfa- und Mungobohnensprossen haben auch Brottrunk gesoffen bis zum Delirium und hernach Birkenstock beschuht zu weichgespültem Reggae regengetanzt. Oder so ähnlich, genau erinnere ich mich nicht, der zu vielen Kräuterzigaretten wegen, damals.
Heute, selber Ökofreak, gedeihen auf der Gesindehausküchenfensterbank Sämlinge vom Cima di rapa. Sprossenkohlsprossen. Ein letzter Versuch der Nutzbarmachung ebensolcher Samen, da der Anbau auf dem heimischen Acker im vergangenen Jahr kläglich gescheitert ist. Nach wenigen Tagen gekeimt, schmecken die kleinen grünlichen Pflänzlein frisch, mit einer leichten Bitternote, leicht nussig und kaum nach Kohl.
Ich habe klassisch Spaghetti aglio e olio zubereitet, dann eine handvoll Sprossen dazugerupft und durchgeschwenkt. Einige Sämlinge vom Cima di rapa kamen obenauf mitsamt einer Prise Bottarga. Getrunken wurde dazu ein frischer 2013er Weiser-Künstler Riesling von der Mosel, ein charmant alkoholarmer Mittagessen-Begleiter. Beides, Wein und Essen, war in seiner jeweiligen Einfachheit perfekt – und ergänzte sich formidabel.
Spaghetti con Salsiccia e Pomodoro aus Winternam, ohne Alkohol
Veröffentlicht: Januar 29, 2011 Abgelegt unter: Kulinarik, Musik, Niederrhein | Tags: Alkohol, Blaze Foley, Pomodoro, Salsiccia, spaghetti, Townes van Zandt, Winternam 9 KommentareIn Winternam bei Kerken liegt eines der nettesten niederrheinischen Lebensmittelgeschäfte. Dass es ein „negozio del vino“ ist und kein Zuckerrübensirup- oder Blutwursthandel, liegt schlicht an der Tatsache, dass es letztgenannte gar nicht gibt. Eine italiensiche Gemeinde in der Diaspora aber schon, wenn auch so versprengt, dass gerne bis zu 50 km fährt, wer bester Lebensmittel von der Apenninen-Halbinsel bedarf. Ich hab’s nicht ganz so weit, aber dennoch außerordentlich gefroren bei der über einstündigen Radfahrt, deren Ziel ein Salsiccia-Erwerb war.
Wohnte ich noch in der großen Stadt, würde ich über solch abenteuerliche Eskapaden kaum müde grinsen, wäre aber deutlich weniger fit – und die frische Landluft erst. Einerlei, es gab als Belohnung also Nudeln mit Wurst und Tomaten. Letztere in Form von pomodorini di collina aus der Dose, ebenfalls erradelt.
Das Ganze ohne Alkohol, weder im Sugo noch im Koch. Denn den ganzen Tag über habe ich einen Soundtrack im Kopf, der hauptsächlich aus Songs von Townes van Zandt besteht. Luftig depressives, uramerikanisches Genöle, wie es nur ein anderer Country-Outlaw ihm gleichtun konnte: Blaze Foley. Beide haben sich totgesoffen.
Je eine Zwiebel, rote Paprika und Knoblauchzehe gebe ich geschält und zerkleinert in einen erhitzten Topf mit etwas Olivenöl und gare sanft. Zwei Prisen (Zucker/Salz) kommen dann hinzu, ebenfalls die Tomaten. Nach etwa 15 Minuten wird die neapolitanische Salsiccia eingelegt und die Temperatur auf die niedrigste Stufe geregelt. Nudeln kochen, Wurst aus der Sauce und kleinschneiden, Nudeln hinein. Durchschwenken, anrichten, aufessen.
Zum Abschluss eines der wenigen Dokumente eines gemeinsamen Auftritts der beiden oben genannten Musikanten.
Gelbe Tomaten, grüner Wein und grauenhaftes Wetter
Veröffentlicht: September 14, 2010 Abgelegt unter: Kulinarik, Wein | Tags: arturo Fiesta Circo, Bacharach, Bastian, Bopparder Hamm, Didinger, Fässerlay, Feuerlay, Frutti di Mare, Kabinett, Osterspai, Posten, spaghetti 2 KommentareNachmittagsmusik: Arturo Fiesta Circo – Il tango dei temporali.
Inzwischen zwingen Sturm und Regen die verbliebenen Sommerreste in die Knie. Am letzten Wochenende schlug das Wetter noch einmal Funken, die sich auch in unseren Gläsern spiegelten. Und kommunizierten mit den vorzüglichen Tropfen, die Friedrich Bastian auf seiner Insel präsentierte: Der 2009er ist ein fordernder Jahrgang, süffig schmeckt anders; Herausforderung pur. Naturgemäß waren die Varietäten aus dem Posten, mit ihrer Klarheit und Frische und Apfelsäure, meine Favoriten – wobei sich diese Bastian-Spezifik noch verstärkt hat. Mut zur Andersartigkeit ist dem freundlichen Bariton offensichtlich in die Wiege gelegt. Was sich wiederum besonders am Insel-Riesling manifestiert. Aus den 2 ha Rebenfläche resultierte zum ersten Mal nicht nur die gewohnt starke feinherbe Variante, sondern auch eine nachhaltige süße. Weiterhin Lieblinswein.
Was passt dazu besser als eine Meeresfrüchte-Pasta? Die gab es Sonntag abends, weil alle Zutaten getrocknet (Nudeln), gefroren (Frutti di mare) oder konserviert (gelbe Tomaten aus Kampanien) vorrätig waren. Nur die Kräuter (Salbei, Petersilie, Minze) kamen tropfnass aus dem Garten.
Übrigens war vor dem Nudelgenuss die Rückfahrt zu bewältigen – die führte von Bacherach über Osterspai. Zwischenstopp Didinger. Mit Blick auf den Bopparder Hamm (Feuerlay) war recht schnell klar, dass auch hier der 2009er zur Wiederkehr zwingt, besonders die Kabinett-Stückchen. Leider war der aus der Fässerlay schon ausgetrunken.
Rezept: Spaghetti frutti di mare …