Soulfood semi-pugliese und ein finnischer Hochzeitswalzer
Veröffentlicht: März 29, 2011 Abgelegt unter: Kulinarik, Weltweit | Tags: apulien, broccoli, johanna kurkela, orecchiette, pecorino, Puglia 9 KommentareBevor ich mich in den kommenden Tagen ausführlich und fundiert niederrheinischer Kochtradition und ihrer kontemporären Adaption in hiesigen Küchen (vor allem in meiner) widme, nun ein weiterer kurzer Ausflug an’s südliche Ende Europas. Am Schluss geht es auch in den hohen Norden, musikalisch. Doch kulinarisch gebe ich der bäuerlichen apulischen Küche den Vorzug. Im Land der Trulli, der Tarantella, des primitiven Weins wird sehr reduziert gekocht, die einzelnen Lebensmittel stehen stets im Mittelpunkt der Speisen. So auch beim Stiefelstandard: Orecchiette con le cime di rapa.
Rapa bekomme ich im niederrheinisch-limburgischen Grenzgebiet immer noch keinen – zumindest nicht, ohne 50 km zu fahren – aber Claudio war ja nicht der einzige, der als Alternative Broccoli empfahl. Wie Frau Hazan besteht er darauf, das Gemüse bis zu einer Art Matsch zu garen – ich mag es auch weich (bissfestes Grünzeug ist kulinarisch das, was fleischfarbene Mieder und Tennissocken für die Erotik bedeuten). Doch ist es schöner so:

Orecchiette e broccoli
Ich habe den Broccoli in genehme Stücke geschnitten (auch den geschälten Strunk) und einen großen Topf mit Wasser aufgesetzt. Parallel in der großen Wokpfanne reichlich Olivenöl mit in feinste Scheiben geschnittenem Knoblauch, einer Peperoncino und drei Sardellenfilets aromatisiert. Dann die Orechiette ins kochende, sehr salzige Wasser und die Strunkstücke hinzu. Nach wenigen Minuten den Broccolirest in den Topf gegeben und sprudelnd kochen gelassen, bis die Pasta passte. Mit der Schaumkelle aus dem Topf in den Wok, ordentlich durchgeschwenkt und zusammen mit dem relativ milden Pecorino sardo in tiefe Teller gegeben.
Das Olivenöl war jung und fruchtig-scharf. Zusammen mit der roten Schote trieb es dem Kohl alle Muffigkeit aus – und unterstrich den nussig-erdig-salzigen Dreiklang.
Warum höre ich dazu finnische Folklore? Noch dazu von einer ansonsten als Schnulzenschleuder gefürchteten Artistin interpretiert? Nun, eine von allem Ethnokitsch befreite Tarantella hatte ich nicht zur Hand – und kam bei der Recherche über den Umweg New York zu diesem herrlichen Hochzeitswalzer. Das beste, was von Frau Kurkela online zu sehen und zu hören ist.
Mandelblüte, ein Pesto und brennende Küsse
Veröffentlicht: Februar 22, 2011 Abgelegt unter: Kulinarik, Weltweit | Tags: apulien, mandelblüte, Mandeln, pasta secca, pecorino piccante, pomodori secchi 4 KommentareIm kleinen Kuriositätenladen las ich kürzlich von einem trockenen Tomatenpesto, dass meinem üblichen Umgang mit pomodori secchi und Mandeln nahe kommt. Da ich das Mandelblütenbild bloggen will, diese Seite aber nicht „Utecht fotografiert“ heißt, greife ich den kulinarischen Steilpass gerne auf und beschreibe die delikate Kombination aus in dieser Küche stets vorrätigen Trockenwaren.

Mandelblüte im Olivenhain von Antonino in Zingarello (gestern)
Apulische Zutaten nicht zu fein stabmixen: Eine Hand voll Tomaten, ebenso viele Mandeln (gehäutet und angeröstet), einige Salz-Kapern, Pecorino piccante, etwas Peperoncino – mit Olivenöl aufgefüllt. Mindestens eine Stunde durchziehen lassen, zwecks Aromatenverteilung und Konsistenzoptimierung. Kalt auf tropfnasse Pasta secca oder in noch mehr Olivenöl und mit etwas Meersalz in einer beschichteten Pfanne angewärmt und mit den trockenen Nudeln darin vermengt – Genuss ist garantiert.
Dazu passend:
Marc Almond feat. Nico – Your Kisses Burn
Konfrontationstherapie mit cozze
Veröffentlicht: Dezember 4, 2010 Abgelegt unter: Kulinarik, Weltweit | Tags: apulien, buchweizen, Ceglie Messapica, miesmuscheln, pasta fagioli e cozze, pecorino 3 KommentareNach einer Überdosis an Meeresfrüchten in Bari, der Vergrößerung meines Wortschatzes um so lustige Begriffe wie indigestione oder intossicazione alimentare und einer reichlich schlüpfrigen Kommunikation mit einer funky farmacista in Ceglie Messapica war mein kulinarisches Apulien-Abenteuer unfreiwillig mit gewissen Hemmungen belastet. Salzwassergekröse kam mir nicht mehr auf den Teller – aber als erfahrener Radfahrer weiß ich, dass nach jedem Sturz nur zügiges erneutes Aufsitzen Abhilfe schafft.
Also verwahrte ich mich nicht gegen das Miesmuschel-Angebot des frivolen Fischhändlers beim heutigen Marktbesuch und unterzog den heimischen Herd eines Volllasttests. Große weiße Bohnen wurden mit lauwarmem Wasser bedeckt, zwei gequetschte Knoblauchzehen hinzugefügt und dem Quellen überlassen. Da nur wenige Stunden bis zum Mittagshunger blieben, verlängerte sich die Kochzeit: Schalotte, weiterer Knoblauch, Peperoncini sowie ein Zweig Thymian mit Olivenöl angeschwitzt, die abgegossenen Bohnen hinzu und mit Gemüsebrühe bedeckt weich gesimmert. Inzwischen die Muscheln gesäubert und sortiert, einen kurzen Sud aus wiederum Olivenöl, Knoblauch, Schalotte, Chili, Thymian, einigen Fenchelsamen und etwas Riesling angesetzt. Die cozze in den großen Topf, gut verschlossen und drei Minuten gegart.

Pasta fagioli e cozze
Inzwischen Buchweizen-Vollkorn-Nudeln in einem dritten Topf bereitet. Das passt perfekt, auch wenn ich sonst nur weiße Pasta esse. Die Meeresfrüchte bis auf einige Dekoartikel enthüllen, den Sud filtern. Die Bohnen bis auf wenige Schmuckstücke pürieren, die Teigwaren hinzu, wie auch die Muscheln, mit Sud verfeinern. Ein vierter Topf mit Öl erhitzt und einige frische Rosmarinnadeln frittiert – das ging daneben, weil ich mich zu lange um die Musikauswahl kümmerte. Ergebnis: Kein crunchy mouthfeeling, keine Beschallung.
Und dennoch: Allerleckerste pasta fagioli e cozze. Mit wenigen Spritzern Bioolivenöl und einigen Schnitzen Pecorino (beides aus Mottola) angerichtet – Wunden wurden geheilt. Und der Magen hält.
(Mein Dank geht an Roberto, Imma und Frau Poletto.)