Gemüse des Monats: Dicke Bohne

Die Dicke Bohne ist nicht nur eine Wickenfrucht, deren Geschmack dem traditionsbewussten Esser  Tränen der Rührung in die Augen treibt, sondern auch ein grammatikalisches Problem. Als eine der ältesten Vertreterinnen der hiesigen Nahrungskulturpflanzen (neben Getreidesorten wie Gerste, Hafer und Roggen) wird sie – aus Südwest-Asien stammend – ungefähr seit 5000 vor Christus im Mittelmeerraum und seit der Bronzezeit auch in unseren Gefilden angebaut. Die heutzutage verbreiteten großsamigen Sorten (rot und grün)  sind seit dem Mittelalter belegt. Sie ist nahrhaft und sättigend und dabei doch kalorienarm. Aber die Tücke der Bezeichnung? Im Rheinland würde niemand von der einen, dicken Bohne sprechen, wie in der Überschrift dieses Artikels. Es muss stets der Plural herhalten, in majestätischer Art und Weise, wie es diesem formidablen Gemüse ganz eigentlich auch gebührt. Die Dicken Bohnen also – nur wird das Adjektiv wirklich groß geschrieben?

Der Rat für deutsche Rechtschreibung hat sich kürzlich  – zwar nicht explizit, aber immerhin mittelbar – mit unserer grünen, fülligen Freundin befasst. Genauer: Es wurde das amtliche Regelwerk aktualisiert, viel Raum nahm dabei das scharfe S (=ß) ein. Aber eben nicht nur. Auch Folgendes wurde festgelegt: „In festen Verbindungen aus Adjektiv und Substantiv, die als Ganzes eine begriffliche Einheit bilden, richtet sich die Schreibung des adjektivischen Bestandteils nach der jeweils zugrunde liegenden Bedingung.“ Weiterhin heißt es: „Der adjektivische Bestandteil kann großgeschrieben werden (und nun folgen eine ganze Reihe von Fällen, die hier nichts zur Sache tun; Anm. Utecht) in fachsprachlich oder terminologisch gebrauchten Verbindungen. (…) Bei fachsprachlichen Bezeichnungen von Klassifizierungseinheiten in der Botanik und Zoologie wird der adjektivische Bestandteil großgeschrieben, zum Beispiel: das Fleißige Lieschen, der Grüne Veltliner, der Rote Milan, die Schwarze Witwe.“ Nun findet sich die Dicke Bohne nicht in dieser Aufzählung. Ganz unzweifelhaft ist aber diese Regeländerung explizit für sie vorgenommen worden.

Übrigens: Ob Saubohnen, Schweinsbohnen, Pferdebohnen, Viehbohnen, Puffbohnen oder Faberbohnen – immer ist unsere Dicke gemeint. Palen und pulen sind zwar beides schwache und selten verwendete Verben, aber die so bezeichneten Tätigkeiten stehen zwischen dem Bohnenerwerb und ihrem Genuss. Es soll zwar Esskulturen geben, in denen auch die Schote Verwendung findet. Doch wir beschäftigen uns hier und heute mit dem feinen Kern. Als drittes (nach Palen und vor dem Pulen eben) hat der Küchengott das Blanchieren verordnet. Danach offenbart sich eine beinahe grenzenlose Genussvielfalt. Ob als Pesto oder Brei, als Frittata oder Nudelfüllung, als klassische Gemüsebeilage oder wie im folgenden Rezept als gleichberechtigte Partnerin im Kartoffelsalat – immer macht die Bohne, die botanisch gesehen gar keine Bohne ist, eine gute, füllige Figur.

Kartoffelsalat mit Dicken Bohnen

700 g Dicke Bohnen
500 g Kartoffeln (vorwiegend festkochend, z.B. Leyla)
200 ml Gemüsebrühe
50 ml natives Sonnenblumenöl
je 1 Tl Senf- und Koriandersaat
1 Tl Senf
1 Prise Curry
1 Zweig Bohnenkraut
Salz, Pfeffer

Bohnen palen, blanchieren, abschrecken, pulen. Die Kartoffeln kochen, abkühlen lassen, dann pellen und in Scheiben schneiden. In einer weiten Schüssel mit allen Zutaten vermengen und mindestens eine Stunde lang durchziehen lassen, dabei mehrmals vorsichtig umrühren. Das Bohnenkraut entfernen, den Salat in tiefen Tellern anrichten und eventuell mit wenig gutem Speck oder Schinken krönen.


Dieser Beitrag ist der dreiunddreißigste in der Reihe “Gemüse des Monats”, die in Zusammenarbeit mit dem Lenßenhof in Mönchengladbach entsteht.


Dicke Bohne im Ei

Als das Jahr, in dem die dicke Bohne nur knapp dem Tod durch Ertrinken entronnen ist, wird 2016 in meine kulinarischen Annalen eingehen. Die Regenmengen, die im Juni rheinische Äcker fluteten, sind so manchen Kulturen gar nicht gut bekommen. Kartoffeln präsentieren sich bisher in erbarmungswürdigen Qualitäten, alle Kohlartigen leiden unter derartigen Wachstumsstörungen, dass es ein Euphemismus wäre, von geringen Erntemengen zu schreiben. Von Salaten und Spinaten ganz zu schweigen.

Auch die dicke Bohne hätte es fast erwischt. Zwar wuchs sie ganz passabel. Aber das Zuviel an Feuchtigkeit brachte neben hohem Pilzdruck auch ein überbordendes Wachstum kleiner, fieser Viecher mit sich, die die Schoten perforierten und entweder schon an der Pflanze die Frucht verdarben oder ihre Haltbarkeit derart minimierten, dass an eine Vermarktung durch hiesige Landwirte kaum zu denken war. Mein Lieblingsbiobauer immerhin hatte eine Tüte nicht ganz so dicker Exemplare für mich. Eine von wenigen insgesamt.

Gepult waren es nicht ganz zwei Handvoll Kerne. Zu wenig für ein gutes Gemüsegericht traditioneller Art. Auch für Muse, Pürees und Pasten wollte es nicht reichen. Aber was hier im Gesindehaus immer gerne genommen wird, ist eine Gemüsefrittata, ein etwas dickeres Omelett also der Unterordnung Rumfort. Ich erinnerte mich an eine Idee des englisch-israelischen Kochkunsteklektikers und Hohepriesters hausfräulicher Fusionküche, der in einer seiner unzähligen, dickwattierten Rezeptesammlungen eben jene Bohnen mit Eiern, Safran, Minze und Berberitzen gemischt zu backen empfohlen hatte.

dbo

Genau wie jener Ottolenghi also habe ich die Bohnen blanchiert und in einer Eiermasse gebacken. Diese war gewürzt mit Tellicherry-Pfeffer, Safran (in heißer Sahne gelöst), jeweils frischem Oregano und Minze sowie Salz. Weiters hinein kamen die erwähnten, eingeweichten Berberitzen, angeschwitzte und mit etwas Knoblauch aromatisierte Zwiebelwürfel sowie ganz wenig Weizenmehl und Backpulver. Gebacken habe ich in der geschlossenen Auflaufform bei 180° – jedoch deutlich kürzer als vorgeschlagen. Ich mag einen cremigen Kern in gebackenen Eierspeisen. Das Ergebnis war wuchtig im Geschmack und gleichzeitig herrlich aromatisch. Dazu passte eine Scheibe gerösteten Sauerteigbrots sowie ein Glas exzellente Mandarinenlimonade.


Kartoffelachtel, pfannengerührt

Nun, da die fotografierende Verwandtschaft wieder abgereist ist, müsste ich eigentlich textakrobatisch gegen den bildlichen Qualitätsverlust ankämpfen. Doch die einzigen, die einander aggressiv angehen, sind der viel zu tanninige Ribera del Duero (Eremus) in meinem Glas und eine völlig überflüssige Müdigkeit. Beides braucht eigentlich kein Mensch.

Kartoffelachtel, pfannengerührt

Kartoffelachtel, pfannengerührt

So berichte ich nur kurz von einer gestrigen Entdeckung: Ich habe Kartoffeln zerschnitten und rührend gebraten, homemade potato wedges quasi. Im Wok. Verwendung fanden frühe feste, mit Schale. Auf fünf Stück, längs in Achtel geteilt, kam ein Esslöffel Sonnenblumenöl. Circa 20 Minuten wurde geschwenkt und gerührt, bei mittlerer Hitze. Wenn leicht braun: fertig. Deliziös.

Meinte zumindest meint Sonntagsgast, Maxime aus Angoulême. Das wiederum liegt irgendwie in der Nähe vom Bordelais, vom Perigord, von Cognac. Da, wo der liebe Gott die Franzosen erschuf mitsamt allen Klischees. Er ist schon seit zwei Wochen am Niederrhein und glaubt, das reime sich auf Schwein. So viel aß er bisher von dem Tier, das ihm sonst selten unters Messer kommt. Und wünschte sich folgerichtig einen Rinderbraten, klassisch, ohne chichi. Gerne kam ich diesem Wunsch nach, briet ein Stück vom Bug und zog mit rotem Bordeaux einen Fond, den ich fast zu Sirup reduzierte. Dazu die gelben Bohnen – blanchiert mit Bohnenkraut und geschwenkt in Butter – und dann doch noch Kochbuchschnickschnack.

Sonntagsessen für Franzosen

Sonntagsessen für Franzosen

Wenige dicke Bohnen hatte ich vom Acker holen können. Die wurden gepalt und zwei Minuten blanchiert. Dann abgeschreckt und von ihrer festen Haut befreit und noch einmal ins sprudelnde Wasser gegeben. Nach weiteren zwei Minuten Wasser weg, Filets von der Cocktailtomate hinzu, reichlich Crème fraiche und feine Minzstreifen und Meersalz. Umrühren, anrichten, servieren.

Anmerkungen: Die Sauce fehlt auf dem Foto – Überforderung des Einzelkämpfers. Zum ersten Mal seit Jahren ist mir etwas angebrannt – was, wird nicht verraten. (Der Gestank war abenteuerlich, doch M. verzog keine Miene. Merci.) Das Gastgeschenk war ein mir bisher unbekanntes, weinartiges Getränk. Ich werde es als Bilderrätsel bald verbloggen.


Dicke Bohnen

Ful ist einer der interessantesten Klassiker der an spannenden vegetarischen Gerichten wahrlich nicht armen arabischen Küche. Besonders in Nordafrika gehört das auch Foul Medammes genannte Gericht zum Standardrepertoir eines jeden oder jeder Kochkundigen. Getrocknete und dann über Nacht eingeweichte Favabohnen werden weich gekocht, gesalzen und teilweise püriert, mit Knoblauch und Kreuzkümmel aromatisiert, mit Olivenöl, Petersilie und Zitrone veredelt und schließlich mittels dünnem Fladenbrot als Besteckersatz verzehrt. Variationsmöglichkeiten durch den Einsatz von Koriandergrün oder Tahin, das zusätzliche Reichen von hartgekochten Eiern oder sauer eingelegtem Gemüse, sind quasi unbegrenzt – und wie bei kulinarischen Standards üblich, hat jede Küche ihr eigenes Geheimnis. Gesund und genussreich sind sie immer.

Nun sind Fava nichts anderes als das, was auch in hiesigen rheinischen Böden als Dicke Bohnen (oder Sau-, Puff-, Ackerbohne) angebaut und momentan auf Märkten und in Bauernläden feilgeboten wird. Wie auch auf die schon erwähnten gelben Bohnen freuten sich rheinische und westfälische Familien seit Generationen sommers auf die Ernte der Dicken Bohnen, die Gerüchten zufolge zusammen mit dem Speck am Busch wuchsen.
Wie ich darauf komme? Momentan befasse ich mich mit der Vorbereitung meiner ersten Genussveranstaltung (ich werde zu gegebener Zeit darüber berichten), die Vegetarisches mit Wein verbinden wird. Als Küchengruß schweben mir da Dips und Pasten vor, die aus diversen Landesküchen bekannt sind, aber zu dem Anlass mit hiesigen Zutaten zubereitet werden. Die dicken Bohnen werden sicherlich eine Rolle spielen.

Dicke Bohnen

Dicke Bohnen