Gemüse des Monats: Bamberger Krumbeere (ehemals Bamberger Hörnchen)

„Die Knollen dieser Kartoffel sind klein und fingerförmig und leicht hörnchenförmig gekrümmt, in wenigen Exemplaren auch mit einer leichten, zweiten Gegenkrümmung oder mit bizarr verwundenen Formen.“ So steht es im 2012 gestellten Eintragungsantrag nach Artikel 6 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 510/2006 des Rates zum Schutz von geografischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel, veröffentlicht im Amtsblatt der Europäischen Union. Weiterhin steht dort: „Aufgrund des besonderen Geschmacks, welcher auf die besonderen klimatischen Bedingungen im geografischen Gebiet zurückzuführen ist, genießt das Bamberger Hörnla beim Verbraucher und insbesondere bei Feinschmeckern ein hohes Ansehen. “ Das besondere ist also der kräftig-nussige Geschmack, einzigartig bei speckig-festkochenden Kartoffeln. Dass allerdings dieser tatsächlich wunderbare Geschmack nur dann anzutreffen ist, wenn der Erdapfel auf fränkischer Scholle wächst, können alle die mit mir zusammen bestreiten, die schon Hörnle aßen von rheinischen oder niedersächsischen oder schwäbischen Äckern.

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2013 allerdings wurde diesem Antrag stattgegeben und seitdem ist Bamberger Hörnchen eine „ geschützte geografische Angabe “. Heute dürfen die gleichen Bauern und Gärtner, die sich über Jahrzehnte erfolgreich um den Bestand der vom Aussterben bedrohten Sorte (und Archepassagier) bemüht haben, dieselbe nicht mehr unter ihrem eigentlichen Namen vermarkten. Zumindest dann nicht, wenn sie nicht in einem der  drei fränkischen Regierungsbezirke Ober-, Mittel- und Unterfranken ansässig sind. Auf dem Lenßenhof in Odenkirchen am Niederrhein beispielsweise werden zwar Bamberger Hörnchen angepflanzt, im Hofladen verkauft werden die ausschließlich manuell geernteten Feldfrüchte allerdings als Bamberger Krumbeeren. Ähnlich geschützt sind beispielsweise Höri Bülle (rote Zwiebeln vom Bodensee) oder Filderkraut. Da es sich dabei jeweils um spezifische Pflanzensorten handelt, ist eine gewisse systemimmanente Logik zu erkennen – wenn auch nicht nachzuvollziehen. Absurd wird es aber, wenn verarbeitete Lebensmittel wie Rheinisches Zuckerrübenkraut oder gar nur vage Ideen wie die Frankfurter Grüne Soße geschützt sind. (Eine Übersicht über alle „geschützten“ Lebensmittel in der EU findet sich hier.)

Zurück zum Nachtschattengewächs: Deutlich aromatischer als beispielsweise die weiter verbreitete französische Schwester „La Ratte“ ist die Bamberger Kartoffel allemal. Ideale Verwendung findet sie im Kartoffelsalat oder in Butter geschwenkt zu feinem Gemüse oder Fisch. Für mich ist sie zudem die perfekte Bratkartoffelkartoffel. Dazu verwende ich sie mit Schale und roh.

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Bratkartoffeln für 2

500 g Bamberger Krumbeeren
Öl (mit einem hohen Rauchpunkt oder ein gutes Schmalz)
1 Eisenpfanne
Salz

Wenig ist zu beachten bei der Zubereitung von Bratkartoffeln, doch das Wenige ist essentiell: 1. Die Kartoffelscheiben dürfen nicht zu dünn geschnitten werden – 0,5 cm sind ein passabler Anhaltspunkt. 2. Eine Eisenpfanne zeitigt deutlich bessere Ergebnisse als beschichtete Exemplare. 3. Sehr heiß muss die Pfanne sein, bevor Öl und Kartoffeln hinein kommen – nur so wird das Ergebnis kross. 4. Immer nur eine Lage braten, schichten verboten. 5. Kein Speck, keine Zwiebeln.
Die perfekten Bratkartoffeln werden erst gegen Ende der Zubereitung (die ca. 15 Minuten dauert, bei auf mittlere Temperatur heruntergeschaltetem Herd) gesalzen und sind außen kross und innen fein-schmelzig. In einem idealen Leben werden sie begleitet von einem leicht bitteren Salat (Endivie oder Radicchio zum Beispiel) mit einem säuerlichen Dressing. Dazu trinke ich Apfelsaft oder ein fränkisches Bier, zur Versöhnung.


Dieser Beitrag ist der fünfundzwanzigste in der Reihe “Gemüse des Monats”, die in Zusammenarbeit mit dem Lenßenhof in Mönchengladbach entsteht.


Brauhaus-Bericht

Hausbrauereien mit adäquat bodenständiger Gastronomie sind im Rheinland ja eigentlich ein eher urbanes Phänomen. Ob Köln oder Düsseldorf, Münster oder Dortmund – überall wo Tradition auf ausreichend passendes Publikum trifft, funktioniert das Konzept formidabel. Wenn sie zudem zu touristischen Attraktionen geworden sind wie z. B. Früh und Gaffel am Dom oder Füchsen und das Uerige, werden wahre Goldgruben daraus. Doch ebensolches im ländlichen Kontext? Am Niederrhein und nicht in Bayern? Quasi als Dorfkneipensubstitut? Auf nach Mennrath bei Mönchengladbach, feldstudieren.

Brauerei zum Stefanus

Seit 1999 betreibt die Familie Kolonko die traditionelle Gaststätte in ihrer heutigen Form. Vorne Schankraum mit Theke und Biertischen, nach hinten sich großzügig öffnende Brauhaushalle mit langen Tischen aus hellpoliertem Holz. Ein alter Braukessel dominiert den Raum, dem, wenn’s besonders voll ist, ein kleiner Saal zugeschlagen wird. Ein Biergarten ist vorhanden. Stimmiger Gesamteindruck, kein Schnickschnack, auch nicht zuviel überbordende Rustikalität. Was auch für die drei stets angebotenen Biere gilt (dazu werden regelmäßig Saisonspezialitäten wie Bockbiere kredenzt): Klarlinig, und doch nicht ohne Wucht. Neben dem – wie alle natürlich naturtrüb ausgeschenktem – Stefanus-Weizen, dass dem kulinarischen Ermittlungsteam eher etwas zu süß geraten ist, sind nach Exportart hergestellte Malzgetränke im Ausschank. Beide entsprechend mit überdurchschnittlichem Alkoholgehalt (bis 5,4 %) und weniger Hopfen als beispielsweise beim Pils. Das wirkt sich beim Hellen dann auch eher negativ aus, trotz der Verwendung von Bamberger Braugerste driftet der erste Eindruck eines sehr milden, süffigen Bieres mit jedem Schluck mehr in Richtung Beliebigkeit.

R.K. im Stefanus

R.K. im Stefanus

Umso überzeugender hingegen das Stefanus-Dunkel: Etwas mehr Bitterstoffe (Hallertauer Hopfen), stärker gemälzte Gerste, was Farbe und Geschmack nur gut tut. In einer Blindverkostung würde diese untergärige Spezialität glatt als Altbier durchgehen, jede Wette. Passend dazu ordern wir Klassiker aus der Brauhausküche, ergo diverse Teile vom Schwein, Rösti, Brat- und Ofenkartoffeln, Salate und eine Zwiebelsuppe. Fazit: Alles etwas überwürzt, die verschiedenen Kartoffelzubereitungen stimmig, das Fleisch zu lange zu hoher Hitze ausgesetzt.
Reichlich satt noch einige Biere im Raucherbereich in nahezu familiärer Atmosphäre. Wiederholungsfaktor: hoch.

www.zum-stefanus.de


Radtour zur Lüthemühle

Der Begriff „Ausflugslokal“ atmet den miefigen Charme der 50er Jahre des letzten Jahrhunderts und evoziert Gedanken an in Kaennchen servierten Filterkaffee und totfritiertes, überteuertes Essen vor fragwürdig pseudoromantischer Kulisse. Dass das auch auf einem anderen, besseren Level funktioniert, versucht die Lüthemühle in Nettetal zu beweisen.

Das Freizeitverhalten von Menschen ist gewissen Moden und Trends unterworfen. Galt der aktive Aufenthalt in der heimischen Natur bis Ende des letzten Jahrtausends noch als ähnlich verführerisch wie die urdeutsche Kombination aus Bermudashorts, Wollsocken und Birkenstocksandalen, ist in den letzten Jahren Wandern (neudeutsch: Hiking), Walking, Biking, Skating und so weiter und so fort schwer angesagt. Gerade das Gebiet um die Netteseen ist seitdem wieder eine bevorzugte Destination, durchaus auch für urbane Klientel von Rhein und Ruhr. Nur suchte der Freizeitaktivist nach erfolgreicher Fitnesssteigerung gerne mal einen geeigneten Platz zur Einkehr. Oft vergebens.

Am Ablauf der Nette aus dem Ferkesbruch in Lobberich-Sassenfeld gelegen, blickt die Lüthemühle auf eine vielhundertjährige Tradition und eine seit 2006 zurück. Nach dem Abriss des baufälligen Altbestands ist mit viel Liebe zum Detail das neue Gasthaus und Hotel entstanden. Der herrlich weite und offene Innenraum wird vom Außenbereich mit Terassen und Reitställen noch übertroffen. Dort jedoch ist der Service bisweilen langsam, drinnen ist der Ablauf optimaler. Zumal wochentags in der Mittagszeit, wenn Reguläres von der Karte verbilligt offeriert wird, stets in prima Qualität.
Generell eher kritisch anzumerken: Das Getränkeangebot ist reichlich schlicht geraten. Zur durchaus ambitionierten Küche passt die schlechte Bierauswahl in keinster Weise. Völlig unverständlich, warum so viele Gastronomen sich mit mediokrem Industriebier begnügen und nicht Brauereien aus der Region vertrauen. Auch die Weinauswahl ist mau. Generell ein Highlight: Die Süßspeisen!

Die geschmacklichen Eindrücke im Detail: Die Tomatensuppe ist fruchtig, eventuell etwas zu kompakt, Leichtigkeit geht anders. Aber die Aromen sind stimmig und der Einstieg ist gelungen. Ein Antipastiteller schafft wider Erwarten echte Gaumenfreuden. Keine erkennbaren Konserven, Selbsteingelegtes von Zucchini, Tomate, Champignon, Paprika, dazu ein guter Schinken, der leider schon etwas zu lange aufgeschnitten war. Weiter geht es mit Roastbeef und Bratkartoffeln, ersteres gutes Handwerk, letztere so trocken, dass der Verdacht aufkommt, die Erstzubereitung liege schon einige Stunden zurück. Das Pflaumen-Zimt-Eis jedoch ist rundum gelungen, reisst alles wieder raus. Und wird kalorientechnisch der nun gutgelaunten Heimfahrt zum Opfer fallen.

www.luethemuehle.de