Resteessen mit Buddy Holly

Ein weiterer Jahrestag dräut. Vor 75 Jahren wurde in Lubbock, Texas, Charles Hardin Holley geboren. Ab 1955 wurde er in knapp vier Jahren zum wichtigsten Erneuerer der populären Musik jener Tage,  zum Versöhner von Rock und Pop (bevor es solche Schubladen überhaupt gab) und zur Referenzgröße für Epigonen wie Beatles oder Stones. Popkulturell ist neben Inventionen wie der Etablierung des 4-Mann-Band-Standards und den vergleichsweise komplexen Kompositionen weit wichtiger, dass er Erfolg hatte. Und jung starb. Am 3. Februar 1959 war The day the music died.

Seine Musik war mein Soundtrack des letzten Wochenendes. Das ansonsten geprägt war von Gartenarbeit und Folkkonzert, Electrodisco und Familienspargel, Freibadsaisoneröffnung und schlechtem Riesling. Am sonntäglichen Ende bereitete kein Gewitter der schwülen Hitze den Garaus, dafür hatten sich allerlei Reste in der Küche angesammelt. Eine Sehnsucht nach Paprika entflammte, dazu schlich sich ein Cajun-Rhythmus samt New-Orleans-Brass in mein bräsiges Bewusstsein. Erstere stillte ich mit einer Art Pörkölt, letzterer wurde evoziert und interpretiert von Florence Welch.

Der Essensrest: Ein gutes Stück Schweinhals (Überbleibsel einer Grilltüte vom Stautenhof), eine Hälfte vom vor drei Tagen selbstgebackenen Baguette, zwei Zucchini. Und eine inzwischen schon ins wahnhafte sich steigernde Paprikalust. Als machte ich mich ganz undogmatisch (Schwein statt Rind, Möhren) ans Gulasch – das keines ist. Sondern Pörkölt. 1 zu 1 Fleischwürfel und Zwiebeln  in unterschiedlichen Gefäßen und jeweils mit Schmalz erhitzen. Das eine mehr, die anderen weniger. Zu den schwitzenden Zwiebeln esslöffelweise scharfes und süßes Paprikapulver und allerlei andere gemörserte Gewürze wie Kümmel, Majoran, Lorbeer. Später, nach der Vereinigung, auch Salz.  Etwas Flüssigkeit zum Bratensatzlösen (hier: Krauße Schwarzer). Eine Tomate. Lange Schmorzeit.

Vanillezucchini, Blütenbrot und Schweineschulterpörkölt

Vanillezucchini, Blütenbrot und Schweineschulterpörkölt

Inzwischen Zucchinischeiben in mildem Knoblaucholivenöl langsam gebraten und mit Vanillechilisalz aromatisiert. (Kein Ingwer!) Dann in derselben Pfanne mit purem Öl die Weißbrotscheiben geröstet und mit Fleur der Sel bestreut.
Weich, cross, saftig zart. In dieser Reihenfolge ist der Genuss sinnvoll und die Aromen können sich entfalten. Leichtes Gemüse, kräftiges Brot, deftigfeines Fleisch.

In den nächsten Wochen wird unter dem Titel Rave On Buddy Holly ein Tribute-Album veröffentlicht werden. Eine ganze Reihe aktueller Popartisten interpretieren die wichtigsten Kompositionen des Meisters als Tracks und Tunes und schlicht perfekte Songs. Neben Indiepop-Marktführern wie Modest Mouse oder My Morning Jacket sind auch Altvordere wie Sir Paul oder Lou Reed beteiligt. Supermodel, Jack-White-Muse und Retromusikantin Karen Elson huldigt genauso wie Patti Smith und Herr Casablancas (of The Strokes fame). Aber meine Favoritin ist die oben schon erwähnte Florence and the Machine mit ihrem Gruß aus Louisiana: Not Fade Away!


Paprika allüberall – nur nicht im Ruwertal

Nein, es wird noch einige Zeit keine Beweisbilder meiner gärtnerischen Stümperei geben. Zu unbedarft ist mein Tun, der Acker gleicht momentan eher einer Mondlandschaft. Inzwischen sind zwar Kartoffeln gesetzt, Zwiebeln gesteckt, gelbe Möhren gesät. Nur das Pflanzen (bis auf zwei Versuchstomaten) vermied ich noch. Bis heute dann einige Paprikasetzlinge in die Erde kamen. Nicht nur mein aktiver Sprachschatz hat sich in den letzten Wochen erheblich erweitert, meine Körperwahrnehmung ist eine andere geworden und die Zeit für kreative Produktivität tendiert gegen null.

Schreiben und Kochen war gestern, Gärtnern ist der neue Lifestylesport. Und doch gab es heute etwas zum Abendbrot: Gefüllte Paprika. Das lässt sich prima in den Ofen schieben – und dann ist wieder Zeit für…

Gefüllte Paprika

Gefüllte Paprika

Getrunken habe ich dazu eine Art Paprikasaft. Einen Negroamaro von Cantele aus Apulien. Eine gewisse Ahnung von Harmonie war vorhanden, doch dass es dann so perfekt passte, war wunderlich. Wundersam. Wundervoll.

Wundervollen Wein entdeckte ich auch am letzten Wochenende im wilden Ruwertal. Erst radelnd und die Waldracher Krone erklimmend Durst angeschwitzt – diesen dann mit erfrischenden Rieslingen ausgiebig gestillt. Mein Favorit im Glas: 09er Spätlese feinherb aus dem Kaseler Nies’chen. Ein Schluck mit Schmackes, etwas rau und wild, Säurespiel versus Honigaromatik. Ach ja: Ausgebaut von der Kaseler Winzergenossenschaft. Bei Anruf: Genuss!

WG Kasel: Rieslingfeuerwerk

WG Kasel: Rieslingfeuerwerk


Schweinebäckchen, geschmort

Der Biometzger auf dem samstäglichen Wochenmarkt bot also diese eher seltenen Teile vom rheinischen  Schweinekopf feil – und ich, ganz Lustmensch, konnte nicht widerstehen. Ich koche beinahe immer das, was mir vor die Augen kommt. Es sei denn, eine größere Schar Gäste verlangt aufwändigere Planungen.
So sahen sie also aus, die Schweinebacken, bevor ich sie parierte.

Schweinebäckchen

Schweinebäckchen

Dazu wollte ich eigentlich mit Wirsing gefüllte Wirsingröllchen und Pomme de terre duchesse reichen – wogegen aber das schöne Sonntagswetter samt ausgeprägtem Frischluft-Bewegungsdrang sprach. Also Blitzbeilagen: In Knoblauchöl gebratene, halbierte Minipaprika und Bandnudeln (ich hatte noch selbstgemachte vom Vortag), die ich nach der Paprika in der selben Pfanne mit etwas Butter, Zitronenzesten und Szechuanpfeffer aromatisierte. Beidem gönnte ich einiges Fleur de Sel.

Das Fleisch: Langes Schmoren war erforderlich, um das üppige Bindegewebe in einen zart schmelzenden Gaumenschmaus zu verwandeln. Ganz klassisch stand also ein Wurzelgemüse-Mis-en-place an (Möhre, Sellerie,Petersilienwurzel). Dazu bereitete ich einen Feinschnitt von Zwiebel und Knoblauch sowie zwei halbtrockene Tomaten, eine Ingwerscheibe und ein Lorbeerblatt. Nachdem die Backen von Sehnen und Silberhaut befreit waren, erhitzte ich eine Butter-Olivenölmischung im schweren Bräter und ließ das Fleisch darin Farbe nehmen. Dann alles Kleingeschnitte hinzu und etwas Tomatenmark. Nach kurzem Rösten mit rotem Port abgelöscht. Gesalzen und gepfeffert, als die Flüssigkeit verkocht war, mit Pfälzer Spätburgunder bis zu 2/3 aufgefüllt. Aufgekocht, Hitze reduziert, Lorbeer hinein und Deckel aufgesetzt.

Während der nächsten zwei Stunden alle 20 Minuten das Fleisch gewendet. Dann die Backen aus dem Sud und warmgestellt. Den Fond durch ein  Sieb passiert und bis auf die gewünschte Konsistenz eingekocht. Abgeschmeckt, angerichtet.

Geschmorte Schweinebäckchen mit gebratenen Minipaprika und Szechuan-Bandnudeln

Geschmorte Schweinebäckchen mit gebratenen Minipaprika und Szechuan-Bandnudeln

Die Konsistenzen waren großartig: Saftiges Gemüse, butterweiches Fleisch, feste Tagliatelle. Auch die Aromatik harmonierte: Die sanfte Wucht der Sauce, fruchtigfrische Paprika und die leicht wilde Schärfe des Szechuanpfeffers. Die Herzoginkartoffeln hätten eventuell eine noch innigere Beziehung mit dem Fleisch eingehen können, als es den Nudeln vergönnt war, doch das ist Kritik auf hohem Niveau. Dass ich mir den Wirsing gespart habe, war gut.


Salbeileber mit Paprikareis

Dazu passt: LaBrassBanda – znaxt.

Balkanesisches floss in meinen kulinarischen Hirnlappen, dieweil ich heute morgen über den Markt ging und beim Metzger Richard Hoff verweilte. Seine Frau bediente eine 89jährige Mitbürgerin, die eine Saure-Bohnen-Suppe plante. Unter Einbeziehung aller Umstehenden. Schlussendlich hatte sie Markknochen, eine Speckschwarte, geräucherten Speck, ein Schweineschwänzchen und Bratwurstbrät im Korb. Wäre gerne ihr Gast gewesen, mittags. Ich erstand Kalbsleber und Blutwurst.

Himmel un Ääd gibt es morgen, ich hatte noch zwei rote Paprikaschoten im Haus und den Garten voller Kräuter. Also kochte ich ordinären Langkornreis in Gemüsebrühe bissfest. Währenddessen befreite ich mittels eines Sparschälers die Schoten von ihrer Haut, entkernte sie und schnitt salmiakpastillengroße Stücke. Eine Schalotte und eine Knoblauchzehe fanden mit Hilfe von etwas Olivenöl und milder Hitze den Weg in ein besseres Leben. Paprika dazu, nach einer Minute Salz, Pfeffer, Chili und den Reis. Einen Löffel Ketchup vom Wochenende. Ein Schuss Spätburgunder von Arndt F. Werner und ein Haufen grob geschnittener Basilikum. Es gibt Reis, Baby.

Salbeileber mit Paprikareis

Salbeileber mit Paprikareis

Nun gibt es ja Puristen, die niemals Basilikum und Salbei auf einem Teller ein Stelldichein feiern lassen. Ich gehöre nicht dazu. So wurde die leider etwas unregelmäßig geschnittene Leber in einem Butter-Olivenöl-Gemisch von jeder Seite zwei Minuten recht kräftig gebraten, nach dem Wenden kamen reichlich Salbei und ein Spritzer vom guten Balsamico ins Spiel. Zusammen schmeckte das dann erdig und süßlich und durchdringend aromatisch. Von der Textur mal ganz zu schweigen…