Pizza bianca alle melanzane
Veröffentlicht: Dezember 21, 2020 Abgelegt unter: Weltweit | Tags: aubergine, melanzane, Pizza, pizzabianca 9 KommentareZu keinen Zeiten war dieser Blog eine reine Rezepteschleuder. Entweder frönte ich abseitigen Kombinationen aus DIY-Popkultur und hausgemachter Besseresserei oder – je länger ich hier schreibe, desto häufiger – ich wandele auf semi-journalistischen Pfaden und hinterfrage kritisch die Praktiken hiesiger Lebensmittelproduktion. Das Abfeiern guter Produzenten und das Teilen noch besserer Ideen meiner kleinen Welt gehörte immer schon dazu, wenn Utecht schreibt.
Die gewiefte Leser*innenschaft weiß natürlich längst, um was es heute geht. Denn wenn er schwurbelt, hat es wohl geschmeckt. Und richtig: Passend zur jahreszeitlichen Endstimmung möchte ich verkünden, dass ich die nächste Evolutionsstufe der Pizzabäckerkunstfertigkeit erklommen habe. Zugegeben: Das hat wenig zu tun mit nachhaltiger, regionaler Biobauernschaft, meinem eigentlichen Fetisch. Mit der Erforschung von kulinarischer Heimattümelei auch nicht. Aber es ist Soul-food. Und das muss an dieser Stelle einmal reichen.

Es gab also eine Pizza bianca in der Gesindehausküche. Mit Auberginen und Büffelmozzarella. Alle Zutaten erlesenster Provenienz, die Zubereitung folgte neuesten Erkenntnissen. Und doch wäre dies kein Grund für einen eigenen Blogeintrag, zumal es sich um den ersten seit über einem halben Jahr Funkstille handelt. Was also war und ist der Clou? Zuerst einmal dies: Um eine richtig gute Pizza beurteilen zu können, muss man 24 Stunden warten. Denn nur was anderntags, kalt und auf die Faust, noch so schmeckt wie Manna und dabei saftig ist und nicht wie Gummi, ist wirklich gut.
Das liegt natürlich am Teig – sehr gutes Mehl, wenig Hefe, viel Wasser – und an der langen Gare (24 h Minimum) und an der höchsten Hitze, die der Haushaltsofen hergibt. Fragt nach bei Schelli oder Torsten oder Claudio. Mehr als die halbe Miete bringen diese Faktoren. Aber im speziellen Fall kam der Kick durch den Belag. Präziser durch das, was ich nicht getan habe: die Aubergine vorbehandelt. Also weder gesalzen, noch gebraten oder gedünstet oder sonstwas. Einfach nur geschält und fein aufgeschnitten und die Scheiben nebeneinander auf den mit Mozzarella belegten Fladen drapiert. Mit reichlich Olivenöl bestrichen acht Minuten in den Ofen, dann mit einigen Rosmarinnadeln verziert, noch etwas Pasta filata und grobes Salz aufgeworfen und fertig gebacken. Vor dem ersten Biss ein paar Tropfen Knoblauchöl und zum Genuss ein Glas Doldensud aus Riedenburg.
Buon Natale!
Auberginen, georgisch
Veröffentlicht: Oktober 23, 2018 Abgelegt unter: Kulinarik, Weltweit | Tags: auberginen, georgien, walnüsse, walnuss Hinterlasse einen KommentarVor einigen Tagen nahm ich einen Folianten zur Hand, der in recht oberflächlicher Weise die Koch- und Essgewohnheiten auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion behandelt. Ich blätterte lustlos darin herum, bis ich am Kapitel über Georgien hängenblieb. Das Land zwischen Kaukasus und Schwarzem Meer ist ja eine Art Sehnsuchtsort für Ostverliebte, Weinnerds und Naturfreaks – und spätestens seit der diesjährigen Frankfurter Buchmesse auch im Bewusstsein der Bildungsbürger hierzulande angekommen. Seit einiger Zeit erwägen die Gesindehausbewohner nun schon einen Trip dorthin, aber 4000 Kilometer sind kein Pappenstiel für Flugverweigerer. Mit dem Zug dauert die Reise locker drei Tage – one way. Beide möglichen Strecken, über Russland oder durch die Türkei, sind zwar vielversprechend abenteuerlich – aber bis zur Realisierung dieser Unternehmung gehen sicher noch einige Monate ins Land.
Holen wir uns also den Geschmack nach Hause. „Auberginen mit Walnüssen“ seien eine Art Nationalspeise, lese ich. Das kommt mir und dem aktuellen Angebot entgegen: Denn Auberginen finden sich nicht nur in Hülle und Füllle im liebsten Biofachgeschäft, sondern gerade auch in prächtiger Qualität. Im Jahr der Nussschwemme werden Verwendungsmöglichkeiten für Walnüsse mit Handkuss genommen. Und was da sonst noch reingehört in das Rezept für Nigvsiani Badrijani, weckt mein Aromen-Interesse: Knoblauch, Safran, Bockshornkleesamen, Koriander (Körner und Kraut) und Essig.
Ich habe das dicke Buch, das wirklich nichts taugt und dessen Titel deshalb hier auch nicht genannt wird, schnell wieder beiseite gelegt und frei improvisiert. Die Auberginen also längs in Scheiben geschnitten und in Olivenöl gebraten. Kein Salz: das bringt geschmacklich und auch für den Flüssigkeitshaushalt der Früchte Vorteile. Dann die Nüsse geknackt und zusammen mit den Gewürzen, einigen Spritzern Essig sowie hier dann doch etwas Salz in ein Mixgefäß gegeben. Das Korianderkraut habe ich gegen Petersilie ausgetauscht: Weil letztere momentan in besserer Qualität zu haben ist und ich mir nicht vorstellen konnte, dass ein dominantes Küchenkraut zu dieser Aromenfülle passt. Das Ergebnis gab mir recht: Zur Paste gemixt, auf die Auberginen gestrichen, aufgerollt und durchgezogen schmeckte es schlicht: wunderbar. Georgien, wir kommen. Irgendwann.
Wein und Musik: Huichica
Veröffentlicht: Februar 28, 2017 Abgelegt unter: Musik, Wein, Weltweit | Tags: allah-las, festival, gundlach bundschu, huichica, musik, Wein Hinterlasse einen KommentarSchon zum siebten Mal findet dieses Jahr auf der legendären Gundlach Bundschu Winery (gun bun) in Sonoma, CA, im Juni das Huichica Music Festival statt. „We built it on the concept that dynamic hand-curated music, wine and food are best shared in beautiful intimate settings with a warm and friendly attitude. Since 2010, Huichica has presented a hand-picked line up of national and regional indie and folk acts and paired them with regional culinary talent and estate-grown wines.“ Jeff Bundschu ist ein wahrer Freak und toller Unternehmer. In diesem Jahr hat er zusammen mit Eric D. Johnson ein Lineup auf die Beine gestellt, das in Kombination mit dieser Spitzenlocation einzigartig ist unter den unabhängigen Popfestivals der Welt. Nicht nur, weil mit den Allah-Las und mit Dead Moon (Fred and Toody) zwei meiner absoluten Lieblingsbands dort spielen werden.Wäre ich zu der Zeit nicht in Italien, ich flöge hin.
Ganz nebenbei bemerkt: So geht Weinmarketing auch, liebe Winzerfreunde! Streuverlustfreie Kommunikation in die Multiplikatorennische aus jungen, alternativen, solventen Kreativen. Mit Mut und Herzblut umgesetzt. Und mit Gewinn. Pop culture with gusto.
Allah-las – Could be you
Bánh mì im Cafe 1980, Köln
Veröffentlicht: April 18, 2016 Abgelegt unter: Kulinarik, Weltweit | Tags: 1980, banh mi, Koeln, vietnamesisch 2 KommentareVor ziemlich genau drei Jahren schrieb ich (leicht überzogen, wie es meine Art ist) hier Folgendes:
„Ich kenne aus aromatischer, konzeptueller und prozessualer Sicht keine überlegenere Nationalküche als diejenige (Nord-)Vietnams. Nur die Produktqualität vor Ort ist hundsmiserabel. Und was in hiesige Asialäden gelangt, ist um keinen Deut besser. Daher starte ich dieser Tage ein neues Forschungsprojekt, suche nach guten Produkten, alternativen Bezugsquellen und eventuellen hiesigen Derivaten. Und werde davon berichten. Auch darüber, was der eigentliche Anlass dieses Artikels war, der da heißen sollte “Die Rettung des Banh mi mit Musik”.“
Und bereitete danach auf einem kleinen, niederrheinischen DIY-Musikfestival exakt 173 vietnamesisch inspirierte Baguettes zu. Nachdem ich zuvor Feldforschung betrieben hatte, wie genau die belegten Brote idealtypisch funktionieren. Weil ich vor nun auch schon fast zehn Jahren in den Gassen von Hanoi und Dong Hoi und Nha Trang dieses für mich weltbeste „streetfood“ kennengelernt hatte und bis heute nicht wüsste, was an dem Konzept verbesserungswürdig wäre. Es existiert kein Banh-mi-Dogma, die Rezepte und Belage variieren in Vietnam und in den Metropolen dieser Welt. In Berlin und in Hamburg werden schon seit einigen Jahren gute Adaptionen angeboten, mit leichten Abschlägen auch in Düsseldorf. Seit heute auch, endlich, in Köln.
Diese dünnkrustigen, sehr hellen und luftigen Baguettes – (ein guter Anteil) Reismehl im Teig ist die Voraussetzung für stimmiges Gelingen – als Relikt französischer Kolonialzeit sind die Basis des guten Geschmacks. Hier ein gutes Rezept zum Selberbacken. Nur werden sie in unseren Breitengraden nie genau so gelingen wie in Südostasien. Denn es sorgt schon das tropische Klima für ganz spezifische Prozesse bei der Teiggare. Die hohe Luftfeuchtigkeit in Vietnam führt auch dazu, dass ein unvergleichlich „saftiges Mundgefühl“ entsteht, das nicht nur den mehr oder weniger „feuchten“ Dingen geschuldet ist, die zwischen die beiden Baguettehälften gelegt werden. Fast immer Bestandteil der Füllung eines klassischen Banh mi sind: drei Sorten Fleisch (eine Pastete aus Schweinefleisch, einer Leberwurst nicht unähnlich, gegrillter Schweinebauch und Scheiben einer Wurst); allerlei Kräuter, bei deren Zusammensetzung Koriander und der wohlriechende Knöterich die Hauptrolle spielen; nuoc mam; eingelegtes Gemüse wie Möhren und Rettich; frisches Gemüse wie Gurken und Frühlingszwiebeln. Weitere Saucen und auch Mayonnaiseähnliches spielen häufig eine Rolle im Banh mi.
Habe ich schon geschrieben, dass das Ergebnis im Idealfall das beste Unterwegsessen der Welt ist? Und wie schmeckt Banh mi nun in Köln? Nun, in der Bobstraße, zwischen Zülpicher Platz und Neumarkt gelegen, hat Hoa Hiep Lam, der auch als Koch im Restaurant Joie Viet überzeugt, das Cafe 1980 eröffnet. Er backt selbst und belegt mit guten Zutaten (z.B. mit eigener Enten-Paté statt Schweineleberwurst). Und verkauft ab heute die besten Banh mi im Rheinland – so viel ist sicher. Eine absolute Empfehlung!
Kofta oder das Fleischbällchenverständnis
Veröffentlicht: März 12, 2016 Abgelegt unter: Kulinarik, Weltweit | Tags: #neuesvonmeinenmännern, kofta 3 KommentareDie klassische Vorher-Nachher-Nummer. Am frühen Abend also war Präparation angesagt. Nachdenken über die verschiedenen Frikadellenphilosophien in West und Ost und was das mit der jeweiligen Lebensform zu tun hat. Nachher war alles Freude und Musik und Tanz.
So sah der Bausatz aus, den ich mitgenommen habe ins Haus meiner Männer. Flüchtlingsunterkunft ist ein Wort weit jenseits meines Wortschatzes, weil es doppelt und dreifach wertet. Und dennoch ist das Zuhause der Syrer kein trautes Heim, ein Kompromiss eher. Genauso wie mein Kofta-Rezept.
Zu 1 kg gehacktem Biolamm gab ich je eine Zwiebel und eine gekochte Kartoffel – beides ebenfalls gehackt. Genauso wie ein Bund Petersilie. Brötchen oder Paniermehl wird in der orientalischen Zubereitung von Fleischbällchen ebenso selten verwendet wie Ei. Und doch gab ich eines hinzu und ein wenig Buchweizenmehl. Weil meine niederrheinische Konsistenzphilosophie nicht unbegründet ihr So-Sein fristet. Und das Miteinander in der Küche nicht durch Dogmatik gedeihen kann. Gewürze: Salz, Pfeffer, Zimt, Piment, süßer und scharfer Paprika, Muskat und etwas Safran. Dazu noch eine handvoll Pinienkerne. Das Ganze lustvoll von Hand verknetet, in Rollen gerollt und kühl gestellt. Schließlich eine Sesammussoße aus Tahini, Zitrone, Wasser, Knoblauch und Salz.
Bei den fünf Syrern angekommen habe ich mich mit Suleiman in die Küche gestellt und die Kofta (im Arabischen eher Kufta) erst in der Pfanne von allen Seiten angebraten und dann im Ofen gar ziehen lassen. Dazu hat er arabischen Reis gekocht (klassisch mit Fadennudeln), Salat gemacht und Brot gewärmt. Ich fand noch Zeit für eine Gemüsepfanne mit Minze.
Dann kam noch ein Teller mit Yoghurt auf den Tisch und Tee. Und Clementinen-Kumquatkuchen, den U. gebacken hatte. Wir aßen bis wir platzten, fast. Und radebrechten über Rezepte von Müttern und das Leben der Männer ohne Familie. Mit uns. Und dann wurde Dabke getanzt. Für uns erst. Mit uns, anschließend. Mit dem Fuß gestampft, immer auf die Drei. Danke.
Zusammen kochen
Veröffentlicht: November 24, 2015 Abgelegt unter: Kulinarik, Weltweit | Tags: #neuesvonmeinenmännern, flüchtlinge, kochkurs Hinterlasse einen KommentarWir haben gekocht mit unseren Männern. Weil die Küche zumeist ein Ort gelingender Kommunikation ist. Kultureller Austausch am Herd intuitiv vonstatten geht. Lernen mit allen Sinnen nachhaltig ist und Lustgewinn bedeutet.
Seit ich weiß, dass Said und Bashir und Hasan seit Monaten sich vorwiegend von den zweifelhaften Errungenschaften der westlichen Lebensmittelindustrie ernähren – Tiefkühlpizza und Fischstäbchen sind da noch die harmlosesten Beispiele – und darüber von Tag zu Tag unglücklicher und dicker werden, stand der Entschluss fest, auch in diesem Lebensbereich Unterstützung anzubieten. Als Fortsetzung unserer sprachlichen Erste-Hilfe mit kulinarischen Mitteln.
Mir hat’s riesigen Spaß bereitet und meinen Männern für ein paar Stunden auch. Außerdem wissen sie jetzt zumindest, dass Reibekuchen himmlisch schmecken, egal welcher Religion der Esser angehört, dass es auch noch andere Einkaufsmöglichkeiten gibt als die allgegenwärtigen Discounter und dass ein Herd vier Platten hat und einen Ofen und man alle Möglichkeiten gleichzeitig nutzen kann. Den folgenden, kursiv gesetzten Text habe ich übrigens als Pressemeldung an die lokalen Medien gegeben. Als Denkanstoß. Und weil es wichtig ist, dass wir berichten von unseren Erfahrungen in den Flüchtlingsunterkünften. Von der Normalität und vom Alltag in diesem Land.
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„Das schmeckt ja wie zu Hause in Aleppo“ sagte Shaher A. und strahlte dabei über das ganze Gesicht. Denn den Eintopf aus Kichererbsen, Kartoffeln, Möhren und Tomaten, den er gerade aß, hatte er zuvor selbst gekocht. Zusammen mit 15 anderen Männern aus Syrien, Afghanistan und Albanien hatte er an einem Kochkurs teilgenommen, den ehrenamtliche Flüchtlingshelfer sowie Mitglieder des „ZWAR-Netzwerk Korschenbroich Montag“ durchgeführt hatten. In der Küche des Gymnasiums Korschenbroich wurden vergangenen Samstag drei Gänge gekocht mit insgesamt sechs Gerichten – jeweils ein deutsches und ein arabisches.
Drei Aspekte standen dabei im Mittelpunkt: Die Kulinarik, die Hauswirtschaft und das gute Miteinander. „Wir wollen eine Art Erste-Hilfe in Küchendingen bieten – und einen kleinen Einblick in die deutsche Esskultur“, sagte dazu Joerg Utecht, der zusammen mit Hans-Reinhardt Michels die Idee zu dem Angebot hatte. Denn die Mehrzahl der meist sehr jungen Flüchtlinge hatte zuvor in der alten Heimat keinerlei Kochkenntnisse erwerben können – und muss sich nun in den hiesigen Unterkünften vollständig selbst versorgen. Damit die Männer nicht ausschließlich auf Fastfood und teure Fertigprodukte zurückgreifen, wurden ihnen während des Kurses die Grundlagen von Produktauswahl und Kochtechniken vermittelt.
Ob eine klassische Kürbissuppe oder im Ofen gebackener Butternutkürbis mit arabischen Aromen, Reibekuchen mit Apfelkompott und der erwähnte Eintopf oder zum Abschluss zwei Pudding-Varianten – afghanischer Firni sowie Vanille-Flammeri: Die Köstlichkeiten wurden aus frischen Zutaten ohne Fertigprodukte nach allen guten Regeln der Kochkunst gemeinschaftlich zubereitet. Nach dem üppigen Mahl putzten Helfer und Teilnehmer die Küche blitzblank und ausnahmslos alle Gesichter strahlten.
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