Holland – und was von Hamburg übrig blieb

Ein paar Eindrücke gilt es noch zu schildern, damit Farbe kommt in das bisher monochrom graue Bild. An Elbe und Alster ist nicht alles trist, das Wetter vielleicht, doch. Kultur und Kulinarik hingegen funkeln prächtig. Es gibt ein Leben nach dem Völlegefühl, welches durch zu schnell zu viel entsteht. Essen kann man diese Entschleunigung in Eimsbüttel beispielsweise, im Lokal von Oliver Trific.

Karoviertel

Als seltsamer Mensch war ich vor dem Besuch am Eppendorfer Weg reichlich reserviert. Zu viel lobendes Geraune waberte da seit Monaten in der Szene der Internetesser. Kaum ein Foodblog kommt noch ohne lobende Erwähnung des kleinen Restaurants aus, der Koch ist längst freundschaftlich eingemeindet ins soziale Kulinariknetz. Warum? „Natürlich. Frisch. Von Hier.“ Das machen andere auch und ich doch jeden Tag.

Aber nicht so konsequent und gut gelungen – ein dauerhaftes Glücksgefühl hielt uns umfangen auf dem langen Fußweg zurück in die Sternschanze. Dabei hatten wir noch nicht einmal einen der roten Naturweine getrunken, die auf der tollen kleinen Weinkarte brillieren. Zum nordischen Mahl wollten mir genauso banal wie passend nur Silvaner, Weißburgunder und Veltliner ins Glas. Da wir zu viert tafelten, kamen zwölf verschiedenen Gänge auf den Tisch (je drei zu dreißig), von fast allen kostete ich und sie waren durchweg auf den Punkt. Ob „Zweimal gegarter Pulpo auf herben Salaten, Verjus- Rapsöl-Vinaigrette“, der vor simpler Finesse, feiner Aromatik und schmelzender Bissigkeit am Gaumen fast platzte, oder die in Buchweizenmehl gebratenen Stinte, bester Elbebeifang und regionales Lieblingsessen schon immer – jetzt schon war klar, dass in der Küche mit Bedacht und Ruhe fokussiert gearbeitet wird, herrliche Tiere und Gemüse durch durchdachte Zubereitung einer höheren Bestimmung zugeführt werden.

Kein Schnickschnack, Einfaches perfekt. Wie der formidable „Ostsee-Wildlachs auf Sellerie-Kartoffelpüree mit Speck, Blumenkohl und Meerrettich“. Die saftig triefende „Perlhuhnbrust auf Rahmlinsen mit Majoran-Kartoffel-Plätzchen“. Die fetten Semmelstoppelpilze. Selbst Desserts sind kein obsolet süßes Beiwerk, sondern abrundender Nachklang. Kurz bevor wir gingen, nach über vier Stunden, kam Oliver Trific an den Tisch, sehr zurückhaltend, interessiert, offen. Erkannte mich und ich in ihm den Geistesverwandten. Für den Kochen und Essen mehr ist als nur Genuss. Sondern pralles, handfestes, alltägliches, freudiges Leben. Ich wünsche mir in jeder Stadt, in die ich reise, eine solchen Laden. Die Welt wär eine bessere.

Ein guter Mensch ist höchstwahrscheinlich auch der schon lange in Kolumbien lebende und arbeitende britische Musiker und Produzent Will Holland. Besser bekannt als Quantic. Oder Los Miticos Del Ritmo. Ondatropica. Mir ist er erst vor genau zehneinhalb Monaten auf den Plattenteller geraten, durch die wunderbaren Hände eines geliebten Menschen. Seitdem bin ich infiziert. Der ich immer immun zu sein glaubte gegen Salsakursromantik und Buena-Vista-Social-Mist. Nun bringt mir ein britischer DJ originäre lateinamerikanische Sachen bei. Lehrt mich Cumbia. Und lässt mich sicher sein: Mein zweiter Name ist nunmehr Alfredito:


2 Kommentare on “Holland – und was von Hamburg übrig blieb”

  1. oachkatz sagt:

    Ich merke es vor für den nächsten Hamburgbesuch.

  2. utecht sagt:

    Mach das, oachkatz. Du wirst es nicht bereuen!

    Übrigens:
    Das Foto ist eine Impression aus dem Karoviertel. Dazu dies:
    Gentrifizierung lauert. Noch aber höchste Plattenladendichte bundesweit, guter Trödel und alternatives Modezeugs. Essen schwierig, vielleicht Kaffee und Kleinigkeiten hier:
    http://www.gretchens-villa.de


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