Cyprus: Twelve points

Wer warnblinkend und 20 km/h über dem Tempolimit auf dem Highway unterwegs ist, geht sehr souverän mit Problemen um und hat ein mediterranes Herz. Sublimation wahrscheinlich für die ansonsten wohlfeil ignorierte Verkehrskulturtechnik des eindeutigen Lichtzeichensetzens, beim Links vor Rechts zumal. Die Scheinwerfer sind halt kaputt. Außerdem ist Weihnachten und vielerorts alle Lampen an. Willkommen in der Beleuchtungs-Anarchie, Cyprus: twelve points.

Dank gewohnter Hybris bin ich mir absolut sicher, dies Land zu erkennen, zumindest den südrepublikanischen Teil, nach immerhin 26 Stunden. Das Ganze ist eine gemeine griechische Insel, nur ohne pittoreskes Blauweiß. Etwas zu groß geraten und wohlhabend bedürftig. Proletarisch auf eine fast nordenglische Art und doch beileibe nicht arm. Zumindest an Industrie nicht. Wenn ich schöne Strände will, fahre ich ohnehin nach Holland.

Sitze hier gerade in einer Art Bahnhofshalle ohne Gleisanschluss, die sich als Self-Service-Restaurant tarnt. Bedient werde ich dennoch, aufmerksam, freundlich, kompetent. Konversation findet übrigens leider stets in englischer Sprache statt. So wird das nie was, mit der Transformation meiner altgriechischen Relikte an den marginalen Rand der Eurokrise. Ich wollte Lamm mit Artischocken und bekomme formidables Ziegenstiffado. Dazu guten Feta und zum Glück nicht den allgegenwärtigen Gummihalloumi. Altes Brot, Oliven aus dem Glas. Gurken-Tomaten, eingelegten Sellerie, ranzige Kartoffeln, Wasser, säuerlichen Roten, sanften Ouzo. Ein blinkender Baum, den Blick auf eine neolithische, zum Welterbe gegrabene Siedlungsstätte, zwei Großfamilien, ein paar Fernfahrer, die Dorfsäufer. Heiligabend.

Ich mag diesen Teil der Levante. Den Wechsel von Sommersonne und Gewitter im Winter. Die wenigen Plusgrade im Troodos und den Schweiß auf der Stirn in der Markthalle von „little Moscow“ Lemesós. Tochni, wo ich mich in diesen Tagen in einem beiläufig luxoriösen Countryhouse verschanze , ist ein vom Tourismus nur flüchtig auf die Wange geküsstes Vorgebirgskaff. Empfehlenswert auch für die, die Resterampemromantik suchen. Mir passt das perfekt in den unsortierten Kram. Marmor und Pool trifft globalisierten Kramladen, ein polyglott perfider Priester weist den Weg in die einzige Taverne. Absacken. Erschreckend hell, dieser Sternenhimmel. Da drüben blinkt Israel. Davor: Berge und Meer. Das Paradies. Die Vorhölle. Eine Einsiedelei. Schön hier, auf Zypern, zwischen den Jahren.



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