Vermischtes aus Wok, Musiktruhe, Weinkeller

Als Post zum Sonntag ein lupenreiner „Utecht“. Ein Rezept, ein Song, ein Wein – völlig undogmatisch. Jedoch nicht ohne rote Linie: Euroasiatische Annäherung mit regionaler Verwurzelung als Weg zum schnellen Glück. Doch der Reihe nach:

Gestern war Gartentag. Kritiker behaupten, ich hätte meiner Suchtlatenz nur ein neues Vehikel verschafft, Gärtnern sei nicht nur Ausgleichssport und ich das „fashion victim“ (so hip wie heute waren schwarze Fingernägel und rissige Hände nie) sondern gleichsam Flucht und der erste Schritt zur Einsiedelei. Wenn die wüssten! Ganz neue soziale Ebenen öffnen sich in der Solidarität der Ackerbauern – und ich bin so etwas wie ein versponnener Missionar unter Staunenden. Dem Nachbarn links, der Tauben züchtet, selektierend optimiert und nach jedem „Schicken“ fast verzweifelt über jede einzelne, die den Weg nicht zurück findet, und dem giftspritzenden Gerstelandwirt auf der anderen Seite – beide über 70 –  habe ich gestern die Vorzüge des neuen Neil Young Albums „Le Noise“ schwadronierend ausgebreitet und am Beispiel von Peaceful Valley Boulevard dezibelstark vorgeführt. Überzeugt hat die beiden ehrlicherweise aber erst ein guter Schluck vom kühlen Lambrusco, den ich neuerdings einigermaßen strategisch verkoste – dank dieser Anregung. Ein Landarbeiter- Getränk fürwahr.

Es fehlte jedoch Zeit zum Einkauf (das erste eigene Zeug werden morgen Radieschen sein), zum Kochen eigentlich auch. Also Resteküche. Kohlenhydratreich, Unkrautjäten ist genauso energieverzehrend wie eine Bergetappe nach l’Alpe d’Huez. Doch keine Pasta, keine Kartoffeln, ein Reisrest vom vorabendlichen Riz à la Valenciennes drängte sich auf. Knoblauch, Zwiebeln, Möhren, Ingwer, Shiitake und rote Chili sind stets vorrätig. Ein weiterer Nachbar bot nestfrische Eier. Also gab es eine freie Improvisation zum Thema „Stir-Fried Rice“ mit zweierlei Sojasaucen und einem Hauch Kardamom.

Stir-fried rice, undogmatisch

Stir-fried rice, undogmatisch

Schnell und gut. Was das beste an asiatisch inspirierter Wokküche ist? Dass eigentlich immer ein Glas Riesling dazu passt! Wegen der leichten Süße des Ketjap manis wagte ich mich nicht an eine eigentlich der Hitze entsprechende supertrockene Säureattacke, sondern ging auf Nummer sicher. Zum Glück lag noch eine Flasche meiner Ürziger Lieblingsunikate, der Gebrüder Merkelbach, kühl. So genoss ich die alkoholarme Wucht einer 2006er Riesling Auslese, Erdener Treppchen. Obwohl das eigentlich ein Jahrgang mit (über)schweren Weinen war, schossen bei dieser Flasche nicht nur direkt exotische Fruchtnoten in die Nase – auch nach dem geschmeidigen Abgang hallte noch lange wunderbar sauersüße Ausgewogenheit nach.

Kein pflichtschuldiger Anhang ist der nun folgende Musiktipp. Kaum ein Band hat in den letzten 20 Jahren mehr für die Annäherung zwischen westlichen und östlichen Hörgewohnheiten getan als Cornershop um den Londoner Tjinder Singh. Seit ihrem Überhit Brimful of Asha aus dem Jahre 1997 wurde das Werk deutlich experimenteller, bisweilen marginal, doch es blieb immer: hoch spannend. „Cornershop and the Double ‚O‘ Groove Of“ heißt das aktuelle Album, eine Kollaboration mit dem Musiker Bubbley Kaur aus dem Punjab. Neben einem kostenlosen Stream auf der Bandwebsite gibt es hier das aktuelle Video.


Paprika allüberall – nur nicht im Ruwertal

Nein, es wird noch einige Zeit keine Beweisbilder meiner gärtnerischen Stümperei geben. Zu unbedarft ist mein Tun, der Acker gleicht momentan eher einer Mondlandschaft. Inzwischen sind zwar Kartoffeln gesetzt, Zwiebeln gesteckt, gelbe Möhren gesät. Nur das Pflanzen (bis auf zwei Versuchstomaten) vermied ich noch. Bis heute dann einige Paprikasetzlinge in die Erde kamen. Nicht nur mein aktiver Sprachschatz hat sich in den letzten Wochen erheblich erweitert, meine Körperwahrnehmung ist eine andere geworden und die Zeit für kreative Produktivität tendiert gegen null.

Schreiben und Kochen war gestern, Gärtnern ist der neue Lifestylesport. Und doch gab es heute etwas zum Abendbrot: Gefüllte Paprika. Das lässt sich prima in den Ofen schieben – und dann ist wieder Zeit für…

Gefüllte Paprika

Gefüllte Paprika

Getrunken habe ich dazu eine Art Paprikasaft. Einen Negroamaro von Cantele aus Apulien. Eine gewisse Ahnung von Harmonie war vorhanden, doch dass es dann so perfekt passte, war wunderlich. Wundersam. Wundervoll.

Wundervollen Wein entdeckte ich auch am letzten Wochenende im wilden Ruwertal. Erst radelnd und die Waldracher Krone erklimmend Durst angeschwitzt – diesen dann mit erfrischenden Rieslingen ausgiebig gestillt. Mein Favorit im Glas: 09er Spätlese feinherb aus dem Kaseler Nies’chen. Ein Schluck mit Schmackes, etwas rau und wild, Säurespiel versus Honigaromatik. Ach ja: Ausgebaut von der Kaseler Winzergenossenschaft. Bei Anruf: Genuss!

WG Kasel: Rieslingfeuerwerk

WG Kasel: Rieslingfeuerwerk


Grüne Paste, schwarze Hände und Donna Regina

Ist das jetzt der Niederrheinische Frühling, Teil 3? Entscheidet selbst – kurz und knackig wird dieser Text garantiert, denn der Garten ruft. Und das Pflanzencenter. Sowie der lokale Spargelverchecker. Doch der Reihe nach.

Noch nicht mal 40 und schon voll retro? Lebensreformer und Begründer der rheinischen Rohkostrevolution? Autarkie rulez? Wie auch immer – seit zwei Wochen bestelle ich einen Acker. Gestern brachte ich Kartoffeln und Zwiebeln unter die Erde. Heute werden Buschbohnen und gelbe Möhren folgen. Noch glaubt niemand aus meiner Peergroup, dass dies ein nachhaltiger Zeitvertreib wird. Meine von Mutterboden verfärbten Hände und der krumme Gang nach ungewohnt körperlicher Arbeit werden belächelt, allenfalls. Vom Blumenhasser zum Kleingärtner? Rock’n’Roll goes Guerillagardening? Wird Anarchie zu anstrengend blüht der gemeine Spießertraum? Was ich jetzt schon sagen kann: Wie jede Kunst ist Gärtnern schön, macht aber viel Arbeit.

Niederrheinische Bärlauchpaste

Niederrheinische Bärlauchpaste

Bilder und Hintergründiges dazu an kommenden Regentagen – heute sei nur noch erwähnt, dass ein Bekannter mit einem Stück Land in Buchenwaldrandlage einen Haufen Bärlauch mir in die Spüle kippte. Ich habe es verpastet – da ich aus Prinzip keinen Salat esse und noch nicht in den Kaninchenzüchtermodus degeneriert bin. Sieht hübsch aus und Pastepasta schmeckt auch. Niederrheinische Bärlauchpaste geht so: Das Grünzeug gründlichst waschen, der wildpinkelnden Wildtiere wegen. Mit der Schere kleingeschnitten und samt hiesigem Rapsöl und etwas Meersalz stabgemixt. Ich habe das Ganze zweigeteilt und eine Hälfte mit Haselnusskernen gepimpt. Noch weiß ich nicht, was mehr mundet. Übrigens: Kein Käse! Der Farbe wegen.

Die Eheleute Janssen aus Köln machen seit nunmehr 20 Jahren sympathischste musikalische Elektrofrickelei unter dem Namen Donna Regina. Auf Karaoke Kalk ist auch ihr letztes Album mit frühlingshaftem Geplucker samt sphärischem Frauensingsang erschienen: „The decline of female happiness“.
Doch hier nun das großartige, 2002 in Oberhausen ausgezeichnete, Video zu „Why“ vom 99er Album „A quiet week in the house“.