Zungenstück. Mit Obst.

Am Anfang war die Quitte. Oder war es ein Traum?

Tashaki Miyaki – All I have to do is dream

Mit Pflaumen geschmortes Zungenstück, Couscous, QuittenNein, war es nicht. Der übervolle Eimer, den mir die nette Nachbarin auf die Terrasse gestellt hatte, setzte mich einigermaßen unter Zugzwang. Bin ich doch kein großer Freund dieser texturproblematischen Früchte. Außer Geleeproduktion fällt mir da erst mal wenig ein. Im sozialen Netz immerhin  der Hinweis auf ein Rezept transarabischer Provenienz – danke Arthurs Tochter. Da kulinarische Wege aber selten gerade sind und ich überhaupt ein wenig zu kreativer Sprunghaftigkeit neige, wurde am Ende des Tages etwas ganz anderes daraus: Geschmortes vom Rinderhals mit Pflaumen, Couscous und Quitten. Doch ein Traum.

Daher ein kurzes Wort zum Soundtrack dieses Artikels:  Nr. 141 aus „The 500 Greatest Songs of All Time“ des Rolling Stone ist diese Schnulze, ursprünglich berühmt geworden durch die Erstinterpretation der Everly Brothers aus dem Jahre 1958. Gruselig schmierige Engtanznummer, eigentlich. Doch mit dieser Coverversion von Tashaki Miyaki aus LA wird eine überwältigende Shoegaze-Variante daraus. Perfekt für den letzten Sommersonnentag samt Sehnsuchtslatenz.

Zurück zum Zungenstück. Dies ist Schlachters Fachterminologie für ein Rindsteil, unterer Halsabschnitt, oberhalb der Hochrippe. Manch einer schwört, dies sei das beste Gulaschfleisch. Durch den hohen Bindegewebsanteil und die ausgeprägte Fasrigkeit ist es mein neuer Schmorfavorit. Da ich kein mich qualitativ überzeugendes  Lammfleisch bekam, hat Manfred Bauten mir ein ansprechendes Stück aus dem Kühlhaus geholt. Doch meine Annahme, hiermit kulinarisches Neuland zu betreten, erwies sich im Nachhinein als falsch: Aß ich doch schon Ingelheimer Chili mit ebendiesem Carne.

Zungenstück

Bevor ich die Zubereitung beschreibe, versichere ich: Ja, ich mag Fleisch mit Früchten, manchmal. Nein, dies ist kein dogmatisches Nationalküchenrezept. (Beruhigt Euch also wieder, Ihr marrokanischen, syrischen und persischen Küchenfundamentalisten!) Ja, um alles noch schlimmer zu machen, kam da ordentlich Wein rein, ins Essen und in den Koch.

Zum Procedere: Fleisch in Würfel von 5 cm Kantenlänge schneiden. Reichlich Schalotten grob würfeln. Frische Pflaumen, die ich tags zuvor  zu anderweitiger Verwendung mit etwas Zucker kurz abgekocht hatte, bereit stellen. Gewürze mörsern. In unbestimmter Menge und Zusammensetzung waren dies: Chili, Ingwer, Knoblauch, Kardamom, Bockshornklee, Lavendel, Piment. Olivenölbuttergemisch im schweren Bräter erhitzen. Die Fleischstücke nun pfeffern und salzen und nach und nach scharf anbraten und wieder herausnehmen, mit den Gewürzen mischen. Schalotten ins Fett, etwas rösten und mit Rotwein (heute in Glas und Topf:  ein Cantalupi Riserva von Conti Zecca. Sangiovese mit hauptsächlich Negroamaro) ablöschen. Aufkochen, Fleisch zurück und mit einigen Pflaumen für einige Stunden bei unter 100° in den Ofen.

Wenn das Fleisch fast zerfällt, ist es fertig. Ofen aus und etwas Zitronenabrieb dazu. Quitten schälen und achteln und in einem Butter-Zucker-Gemisch karamelisieren und mit einem restsüßen Riesling von  Matthias Müller aus Spay ablöschen. 15 Minuten einkochen. Couscous bereiten und mit Safranbutter vermischen.
Und wie immer: Anrichten, aufessen. Alles.


13 Kommentare on “Zungenstück. Mit Obst.”

  1. Wasmachichdennjetzt, wasmachichdennjetzt?
    Ich brauche auf der Stelle so ein Stück Fleisch sonst dreh ich durch.

  2. utecht sagt:

    Jetzt auch mit Musik!

  3. Du bist ja schon das ganze Wochenende so silent :)))

  4. Heike sagt:

    Oaah, ich hab immer noch Gulaschreste vom Bug im Topf und Schwanzrolle fuer heute im Sud. Und jetzt!

    Und Musik kann ich auch immer noch nicht hoeren.
    Neenene, so geht das nicht weiter :/

  5. zorra sagt:

    Ich habe da noch zwei Quittenbäumchen voller Quitten. Danke für die Inspiration.

  6. Im ZEIT-magazin der vergangenen Woche ist ein tolles Quittenrezept-die echte Alternative zum ewigen Gelee,hier werden Quitten gekocht ,entkernt und auf dem Bachblech leict karamelisiert gebachen,dazu scharfes Hähnchen aus dem Ofen -ausprobiert,wirklich lecker…
    Dorothea

  7. queenofsoup sagt:

    ich mach einen großen fehler. nämlich, bei dir kaum einmal die musik anzuhören. les immer nur schnellschnell während der arbeit, und würde ich da musik hören, würd ich mir selber nicht mehr glauben dass ich „eh arbeite“. schade drum! muss mir endlich zeit nehmen und nachhören.
    quitten verkochen mag ich auch gar nicht. essen schon, wenn die arbeit jemand anderer hatte. das ist den meisten aber zu mühsam: der quittenbaum meiner eltern, schönster obstbaum im garten, wird meistens geerntet und die fein duftenden früchte einfach als instant-raumduft überall im elternhaus verteilt. da fällt mir ein, ich muss dringend meinen anteil einfordern!

    • utecht sagt:

      Da quäle ich mich für Dich jedesmal, popkulturelle Perlen zu bergen und zu präsentieren und dann dieses Geständnis! Ich bin erschüttert! Vielleicht stelle ich meine kleine Musikmission nun ein…

      • queenofsoup sagt:

        neiiiiiiin! bloß nicht! (das wolltest du doch hören, oder?)
        hab jetzt eh brav nachgeholt…

  8. […] blogeigener Musikprof (den könnt ihr übrigens auch haben) hat die Quitte schon längst erlöst und sie in geschmorter […]


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