Auf Saftsuche mit Herrn Paschulke

Das gastronomische Angebot bei musikalischen Großveranstaltungen medioker zu nennen wäre ebenso  euphemistisch, wie der aktuellen Jahreszeit die Bezeichnung Sommer angedeihen zu lassen. Dieses Grundwissen fand ich gestern wieder einmal bitter bestätigt und nehme daher Abstand vom ursprünglich investigativen Plan, diesen kleinen  Blog aufzuwerten durch eine Recherche zur Getränkequalität auf einem Musikfestival in Dortmund, welches sich irreführend Juicy Beats nennt.

Wolken überm Ruhrgebiet: Ein abendlicher Blick auf die vernebelte Hauptbühne des Juicy Beats.

Wolken überm Ruhrgebiet: Ein abendlicher Blick auf die vernebelte Hauptbühne des Juicy Beats.

Also Rock’n’Roll – denn durch die Kehlen floss Bier, ziemlich ausschließlich. Gegessen wurde Papppizza. Aber jetzt folgt Werbung:
Wer Musik mag, populäre zudem, möglichst bunt gemischt, wen das Ruhrgebiet nicht an Sibirien gemahnt, wenn genügend Kondition vorhanden, stundenlang durch die grüne Lunge Dortmunds zu lustwandeln und wer schließlich latente Überforderung eher schätzt als lähmende Langeweile: Kommt auf’s Juicy Beats, beim nächsten, dann 17. Mal. Ursprünglisch ein Treffen für Freunde von Electronica und Open-Air-Clubbing, Clicks und Scratches, Bytes und Beeps, ein lebendiger Beweis für die Qualität von elektronischer Tanzmusik jenseits von Techno und House, ist die Veranstaltung über die Jahre zu einem Marktplatz und Laufsteg geworden für alles Interessante im kontemporären Pop. Auch wenn die als diesjähriger Headliner gebuchte Beth Ditto kurzfristig absagen musste, tat das dem Hörgenuss und der Schaulust keinen Abbruch.

Zwischen sechs Bühnen und über 20 Dancefloors lief ich mir die Füße wund und ertanzte mir blutige Blasen. Meine subjektiven Highlights in Ein-Satz-Kritiken:
Ce’Cile gab die sexy Dancehall-Bitch und sorgte samt deutscher Backingband für jamaikanische Sonne und wackelnde Hintern. Saalschutz bewiesen, dass schweizerischer Ravepunk auch unter freiem Himmel knallt. Von Pferdeliebe (My horse likes you – Song des Tages!) schwärmten Bonaparte, die mit Abstand durchgeknallteste Combo des Jahres. Susanne Blech ist ein lustiger Kindergarten, Partypeople mit Presslufthammer, eine Art Scooter + Niveau. Der Grund, warum tausende Indieboys und -girls ins östliche Ruhrgebiet gepilgert waren: Die beste und einflussreichste deutsche Alternative-Band aller Zeiten, The Notwist.

Die Weilheimer Gebrüder Acher spielten mit ihrer Band The Notwist Songs aus dem Album Neon Golden.

Die Weilheimer Gebrüder Acher spielten mit ihrer Band The Notwist nach dem Soundcheck Songs aus dem Album Neon Golden.

Und dann war da noch Herr Paschulke. Auf der leider viel zu kleinen und abseits gelegenen „Funkhaus Europa Worldbeat Stage“ feierten die Lokalmatadoren mit allen, die sich von solch einem unsäglich miefigen Wortungetüm nicht abschrecken ließen, ein schweißtreibendes Fest.

Herr Paschulke heizt ein.

Herr Paschulke heizt ein.

Es durfte, es sollte, es musste getanzt werden. Ein krasser Stilmix aus Ska und Funk und Balkanbeat und Mariachi und Klezmer und Reggae krachte zusammen mit einem riesigen Frontmann in fünf Sprachen voll auf die Zwölf. Ich mag Schweiß ohne Hintersinn, die Lust am Feiern, Kampf dem Verkopften. Den ganzen dreckigen Rest gibt’s ja jeden Tag.


4 Kommentare on “Auf Saftsuche mit Herrn Paschulke”

  1. Björn sagt:

    Schön. Wo hast Du ein soo altes Video von Herr Paschulke aufgetrieben? Da stimmt ja nichtmal Video- und Tonspur zusammen…

    Die waren gestern auf dem Juicy Beats wirklich super!

  2. chezmatze sagt:

    Ich glaube, ich hab mir Deinen Blog neulich gar nicht richtig angeschaut. Du wirst mir und meiner Wurschtigkeit hoffentlich verzeihen, denn ab jetzt – ischwörs – werde ich mich hier mal ein bisschen durch die musikalisch inspirierten Posts hangeln. Auf meinem Blog kommt das zwar überhaupt nicht zu Sprache, aber Musik ist seit Jahrzehnten in meinem Leben drin.

    Wie man von David Sylvian über Squarepusher und Esma Redzepova bis zu Tabu Ley Rochereau kommt, könnte ich in der Rückschau zwar erläutern, aber logisch klingt es nicht. Jedenfalls möchte ich hiermit nur sagen, dass ich es super finde, wenn wir alten Säcke jenseits der 20 uns immer noch neuen Horizonten öffnen. In diesem Sinne „I like your post“.

  3. utecht sagt:

    @björn
    Das Netz vergisst und vergibt nichts!

    @matze
    Ist ja zugegeben auch nicht so leicht zugänglich, dieser kleine Blog. Aber ich mag’s nun mal nicht monothematisch und nehme lieber in Kauf, viele abzuschrecken und wenige zu interessieren. Schön, dass Du hier liest!

  4. chezmatze sagt:

    Naja, ich persönlich lese ja am allerliebsten interessante, multithematische Sachen. Wenn die Leute was zu sagen haben, versteht sich. Selbst habe ich mich das allerdings nicht zu machen getraut, mein eigenes Magazin. Insofern finde ich das gar nicht schwer duchsteigbar bei Dir.

    Stereolab hatte ich als Einfluss übrigens noch vergessen vorhin, Broadcast auch noch, natürlich.


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