Milchreis, Rhabarberkompott und Schwarzbrotkrokant – Niederrheinischer Frühling, Teil 1
Veröffentlicht: April 1, 2011 Abgelegt unter: Kulinarik, Niederrhein 15 KommentareWir sind ein Volk. Der Holländer und ich. Das wird mir immer wieder bewusst, wenn ich durch Limburg fahre, met de fiets – natuurlijk. Trotz aller eingeborener Distanz – die Grenzlandbewohnern überall auf der Welt eigen ist – und manch despektierlicher Allüre. Schon die Verwendung des Begriffs „Holländer“ ist nicht nett im eigentlichen Sinne, bezeichnete er doch ursprünglich lediglich die Bewohner der ehemals waldreichen westlichen Gebiete der Niederlande. Holland = Holzland, etymologisch betrachtet. Sprachwissenschaftlich sind wir erwiesenermaßen Schmarotzer eines Wirts, die Niederrheiner und die Limburger. Limburgisch ist eine Abart des niederfränkischen Dialekts – und die Bezeichnung der Sprache, die uns alle eint. Wobei ich einst im germanistischen Seminar lernte, dass wir Niederrheiner uns des südniederfränkischen bedienen. Doch das ist alles een pot nat. (Interessierten empfehle ich die Arbeiten von Theodor Frings).
Ich aß also seit langer Zeit einmal wieder einen rijstevlaai von der Banketbakerij Lamers im Eigenwijs in Venlo. Milchreisfladen wäre eine unzulängliche Übersetzung für diese vorzügliche, regionaltypische Torte (Rezept einer Bloggerkollegin). Warum Milchreis jedoch im ganzen Verbreitungsgebiet der limburgischen Sprache (auch und vor allem in Belgien) bei Süßspeisen eine so dominate Rolle spielt, vermochte ich nicht zu eruieren. In Skandinavien wird süßes Milchrisotto ja vergleichbar häufig serviert und verehrt – für mich gehört es untrennbar zum kulinarischen Kulturerbe meiner Heimatregion. Deshalb stelle ich es an den Anfang einer siebenteiligen Reihe über hiesige Spezialitäten aus meiner Küche und säume somit das Pferd (auch dazu kommen wir noch) von hinten auf mit dem Dessert: Milchreis mit Rhabarberkompott und Schwarzbrotkrokant.
Wie aus Roggenvollkornbrot Krokant wird und was man daraus noch machen kann, habe ich hier beschrieben. Dass Rhabarber keine autochthone Art ist, ist mir bewusst. Dennoch ist der Himalaya-Knöterich weit verbreitet zwischen Maas und Rhein – van Nahmen macht beispielsweise einen vorzüglichen Nektar – und die Ernte beginnt gerade. Für das Kompott die von den äußeren Fasern befreiten Stangen in Stücke schneiden und mit wenig Wasser und Honig einmal aufkochen lassen, vom Herd nehmen und bei geschlossenem Deckel ziehen lassen. Saure Sache, aber wenn die drei Komponenten später Geschmacksnervenpingpong spielen, passt das.
Milchreis ist Kindheitstraum. Für manche Trauma, weil sie ihn nur aus der Kühltheke kennen. Ich bereite ihn aus dem gleichen Rundkornreis zu, den ich auch für Risotto oder Paella verwende (z. Zt. Arborio); dazu Milch (ca. dreifaches Reisvolumen), ein Schuss Sahne, reichlich eigener Vanillezucker, eine Prise Salz. Alles einmal aufkochen, Herd aus, quellen lassen. Hin und wieder umrühren. Beim Anrichten sollte alles noch lauwarm sein, dann freut sich der Gast. Oder wer auch immer.
Die Musik dazu kommt aus Nijmegen, der ältesten niederländischen Stadt. Go Back To The Zoo schießen gerade durch die Decke – demnächst auch in Ihrem Musikfernsehen – so lange schon einmal hier mit einem Stück für den dansvloer:
Niederrheinischer Frühling, Teil 2: Schellfisch mit Düsseldorfer Senfsahne, dazu in Altbier-Pastella ausgebackener Chicorée . Bald. Ebenso Lehrreiches zu der Frage, warum Niederrheiner die verschwiegensten Rheinländer sind. Stumm wie ein Fisch sind sie nicht, aber bisweilen Kommunikationswestfalen.
Ach ja, Afra meint, ich solle mitmachen beim Blogevent Kulinarische Reise durch das Rheinland – was ich hiermit tue. Gastgeber ist der Edekaner.
Smakelijk!! Und wie geschaffen für dieses Event!!
Spannend. Allerdings habe ich beiher mit dunklem Brot im Dessert keine so richtig gute Erfahrung gemacht. mein Gaumen sträubt sich dagegen.
Jetz habbisch Heimweh…
Ha! schön! freu mich, auch auf die kommenden Rezepte.
Interessante Milchreisvariante (ich kenne ihn mit Rosinen, Mandeln und Quark-Ei-Masse); der Niederrhein scheint mir kulinarisch immer verlockender …
@mestolo
helemaal!
@oachkatz
sei versichert: weder textur noch geschmack haben beim krokant viel mit brot gemein…
@jutta
gab’s bei euch schwarzbrotkrokant?
@afra
du machst ja inzwischen auch nen rheinischen blog!
@lakritze
„interessant“ ist aber ein böser verriss, oder?
Ich tät mich hüten, vorm Probieren zu verreißen!
Exotisches von innerhalb deutscher Grenzen freut mich allermeistens.
Stimmt gar nicht. Ich merke nur, dass ich viel mehr rheinisch koche, als ich mir je hätte träumen lassen. Zum Beispiel Eure beliebten Untereinander oder diese milchsäurevergorenen Bohnen … kommt alles über den Kerl.
Gute Beziehungen erweitern den Horizont!
Allerdings ist „Grillaschtorte“ schon richtig hohe Schule…
Milchreis könnte ich auch mal machen. Hab ich bisher nur von Mama gekriegt. Die packt ihn nach dem Aufkochen erst in Zeitungen, dann in Decken und Tücher ein, stellt ihn so aufs Sofa und dekoriert mit einigen Kissen. Dann darf er quellen. Und beim Öffnen riecht man erst warmgewordene Druckerschwärze und schließlich den Milchreis.
Das Gericht mag ich schon aus Prinzip: Druckerschwärze, Milchreis.
Ich hielt das immer für die Macke einer lieben Freundin (ins Bett, ohne Druckerschwärze), aber offenbar machen das noch andere…
@azestoru
Bei uns kam er ins Bett!
@lakritze
Wohl wahr.
Schwarzbrotkrokant, genialer Name. Vielen Dank für deine Teilnahme am Blogevent.
Dein Musik-Sommelier hat da ja das perfekte Milchreisvideo ausgesucht