Klopse, Deerhoof und Gift

Königsberger Klopse macht in unserer durchaus kochaffinen Großfamilie nur Mutter. Nach einem Rezept, dass ein Geheimnis birgt. Der Geschmack im Übrigen auch.

Klopse im Saucenbad (Fotos: phew)

Klopse im Saucenbad (Fotos: phew)

Dem Geheimnis auf die Spur kommen wir nicht bei der Lektüre der Zutatenliste. Weil eine solche schlicht nicht existiert. Auch die beobachtende Feldforschung führt zu keinen reproduzierbaren Ergebnissen. Was höchstwahrscheinlich daran liegt, dass der selbstbewusst großzügige Umgang mit Dingen wie Rinderhack und rohen Zwiebeln (entgegen Kalbsbrät und gedünsteten Schalotten in der gepimpten Hochküche), Mehlschwitze und Kondensmilch (oder „Kriegsmilch“, wie wir Nachgeborenen sagen), Zitrone und Zucker uns nicht ganz geheuer ist. Nur einmal erlitt die Kochahnin kulinarischen Schiffbruch: Hatte ich ihr doch aus Palermo gesalzene Kapern mitgebracht; um mir eine Freude zu machen, kamen diese statt der üblichen in Lake eingelegten in den Topf. Es fehlte Säure, es nahm den Atem das Salz. Ansonsten sind Königsberger Klopse mit Kapern und Kartoffeln ein Genuss, nicht nur für Freunde von Alliterationen.

Königsberger Klopse mit Kapern und Kartoffeln

Königsberger Klopse mit Kapern und Kartoffeln

Deerhoof sind Greg Saunier und Satomi Matzusaki und zwei Gitarren. Sollte ich eine Schublade für sie zimmern, schriebe ich „California Noise-Folk“ drauf. Selbstredend würden sie jedoch umgehend heraushüpfen, erführen sie von meinem anmaßenden Vorgehen. Denn eigentlich ähnelt kein Song einem anderen. Strukturen und Soundschichten werden beständig neu angeordnet, das Schräge wird zum Wohlklang und umgekehrt. Doch wie die Klopse handelt es sich eindeutig um Winterwettergenuss. Beides gehört zum besten meines persönlichen Kulturschatzes.

Ein neues Album erscheint am 25.01.2011. Es heißt Deerhoof vs. Evil – vorab offeriert die Plattenfirma den Track The merry barracks gratis zum Download.

Junges Gift versprühen andere, hiesige Musikanten. The good old boys are back – M. walking on the water veröffentlichen ebenfalls im Januar das erste Mal seit 15 Jahren wieder ein Album. Es wird „Flowers for the departed“ heißen – und auch hier drehen Label und Band am Promotion-Rad und vorabveröffentlichen daraus den Song Twist your head. Auf einem Seegler in Flensburg, also im Arbeitsumfeld von Sänger und Akkordeonspieler Mike Pelzer, übten die Krefelder das neue Material ein – und streuen als Abfallprodukt dieser Sessions eine akustische Neuaufnahme des Klassiker Poison unters Netzvolk.


10 Kommentare on “Klopse, Deerhoof und Gift”

  1. azestoru sagt:

    Sehr lecker, in der Tat! Ich mag es mit Unmengen saurer Kapern. Wer keine Kapern mag, ißt besser was anderes.

  2. queenofsoup sagt:

    königsberger klopse ist ein gericht, das ich nicht kapiere. ich habs noch nie gegessen, aber viele rezepte dazu gelesen, und obwohl ich mich sonst als recht gut kochbuchleserin wähne, die ungewohnte geschmäcker im kopf zusammenfügen kann (funktioniert ja beim rezeptfrei improvisieren auch), bin ich da einfach ratlos. reise allerdings im februar nach berlin, und will mir das dann dort einmal bestellen. hast du vielleicht einen tipp, wo ich das guten gewissens essen kann? oder braucht es dazu eine großmutter, weil das nur großmütter hinbekommen? und wo krieg ich die großmutter her? meine nämlich macht wunderbare buchteln und bauernkrapfen, aber die klopse sicher nicht – aber die ist auch oberösterreicherin…

  3. utecht sagt:

    @qos
    kann ich gut verstehen. aber das ist tatsächlich ein gericht, welches im restaurant zu essen nicht sonderlich ratsam ist. wie beschrieben kriegen selbst leute wie ich, die damit aufgewachsen sind und ein wenig kochen können, nicht zufrieden stellend hin.
    werde aber mal bei berliner freunden nachhören, ob es dort andere meinungen gibt…

  4. vilmoskörte sagt:

    @queenofsoup: Melde dich, wenn du in Berlin bist und Klopse essen magst.

  5. Afra Evenaar sagt:

    Und die rote Bete dazu nicht vergessen! Und die Zitronenschale und Sardellen in den Klops und das Lorbeerblatt in die Brühe. Und natürlich verlangt das Rezept ursprünglich geschabtes Kalbfleisch, das war alles andere als ein Arme-Leute-Essen.

    @qos Bei Wilhelm Hoeck muss man Glück haben, dass die Klopse vielleicht auf der wechselnden Tageskarte stehen.

  6. Oliver Ding sagt:

    Am leckersten ist allerdings das schicke Akustik-Video von MWW.

  7. utecht sagt:

    @afra
    ich bin gespannt auf berliner klopse.
    @oliver
    definitiv. freu mich auf die konzerte im märz.

  8. Afra Evenaar sagt:

    Ich hab vor ein paar Tagen bei Jutta Voigt in „Der Geschmack des Ostens“ gelesen, dass in der Traditionskneipe „Krüger“ im Friedrichshainer Teil der Weserstraße am Donnerstag Lieblingsgerichte für das Stammpublikum gekocht werden, natürlich auch Königsberger Klopse. Mehrere Fragen stellen sich nun: Wie es schaffen, so schnell noch Stammpublikum zu werden? Gilt das Donnerstagskochen fünf Jahre nach Erscheinen des Buchs immer noch? Und wenn, wann sind die Klopse dran?


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