Freitagsgericht mit anarchistischer Abendunterhaltung

Ich hasse Hesse! Das muss gerade in diesen Tagen allerehrenwertester Nobelpreisvergaben einmal geschrieben werden. Esoterisches Kunsthandwerk, allenfalls, schwäbische Großmannssucht im gefühlsduseligen Gewand; Lesequalen. Fast noch schmerzhafter sind die Folgen der Wirkungsgeschichte, gerade in der Popkultur, der hippiesken zumal. Zumindest war dies meine Überzeugung, bis ich vier Menschen aus Antwerpen kennenlernte. Die wiederum Musik machen als Die Anarchistische Abendunterhaltung. Leicht steppenwölfisch verschroben bisweilen, doch dann wieder von bestechender Klarheit und irrer Genialität. Typische Belgier halt.

In BeNeLux wird übrigens viel Endiviensalat gegessen, prügelte der Autor eine nachgerade zwanghafte Überleitung in seinen Text. So ist er halt, etwas sprunghaft. Endivie gehört zur spannenden Familie der Wegwarten und ist neben ihrer Funktion als herrlich bitterer Wintersalat eine der mit Dressing roh zu verzehrenden Grünpflanzen, die in der Nährwerttabelle nicht auf der gleichen Stufe wie Pappschachteln rangiert. Im Ruhrgebiet ist ein Gericht namens „Endivien dore-in“ verbreitet, ich aß es im niederrheinischen Duisburg, bei Frank Schwarz in der Schifferbörse, in einer ebenso reduzierten wie prägnanten Version.

Und ließ mich dadurch zu folgendem inspirieren: Eine Endivie feinst vorbereiten (äußere Blätter großzügig kompostieren, den Rest gründlich waschen und grob zerkleinern, trocknen) und reichlich Dressing aus Olivenöl, Meersalz, Düsseldorfer Senf, Sherryessig und rotem Johannisbeergelee anrühren. Beides vereinen. Dann Kartoffeln kochen, pellen, leicht stampfen. Wiederum einen Vereinigungsprozess initiieren und prompt servieren. Dazu passt Freitagsfisch, heute mit Salbei aromatisierter Seehecht. Der ist robust genug, um gegen den Endivien-Kartoffel-Stampf zu bestehen. Ist der Fisch aus der Pfanne, lässt sich mit dem Satz, etwas Weißburgunder und einem Stück kalter Butter hervorragend eine kurze Soße ziehen.

Endivien-Kartoffel-Stampf mit Salbei-Seehecht

Endivien-Kartoffel-Stampf mit Salbei-Seehecht

Zurück zur Abendunterhaltung. Die verspricht der Sonntagabend, in der Sint Joriskerk in Venlo.


4 Kommentare on “Freitagsgericht mit anarchistischer Abendunterhaltung”

  1. Afra Evenaar sagt:

    Um deinen Richtungswechseln zu folgen: Ich hasse Hesse (liebe aber Piktors Verwandlungen), finde die Anarchistische Abendunterhaltung großartig (auch als Titel oder Tätigkeit) und bin überzeugt von Escarol und Kartoffeln, gestampft oder nicht gestampft, in inniger Umarmung – auch ausgelassenen Speck ließe ich mitspielen. Nur das Johannisbeergelee im Dressing … das würde ich lieber der Cumberlandsauce vermachen, da bekommt es auch seinen Senf weg.

  2. kochundbackoase sagt:

    Guten Abend,
    die Familie sind die Korbblütler (das gilt für alle Blattsalate), Wegwarte ist die Gattung. Hab ich gerade am Wochenende gelernt, sonst hätte ich es auch nicht gewußt.

    Sonntagabend in Venlo …. hört sich gut an 🙂

  3. utecht sagt:

    Korbblütler ist beinahe ebenso schön wie Wegwarte. Als Begriff. Nur darauf kam es mir an.
    Danke für den Hinweis

  4. Afra Evenaar sagt:

    Wegwarte kenne ich nur in diesem speziellen Wegwartenblau. Grün und gelb ist auch nicht schlecht. Aber nichts gegen dieses Blau am Wegesrand.


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