Buttercremetorte, altmodisch

Heute ist Familienfest. Glücklicherweise existieren wenige Traditionen in unserer Sippe, deren Einhaltung gemeinhin meist nur Widerwillen auslöst. Jedoch werden einige mehr oder minder obskure kulinarische Relikte gepflegt, wenn feierlich getafelt wird. Soleier-Ess-Wettbewerbe zu Ostern, Heringssalat mit Bockwürsten als Weihnachtsdelikatesse und eben als Backkunstklassiker die Buttercremetorte sommers.

Weder zeitgemäß noch leicht verdaulich ist sie in ihrer ursprünglich unverfälschten Form weitestgehend vom bundesdeutschen Süßspeisenplan verschwunden. Als altgedienter Bewahrer von vom Aussterben bedrohter Arten dokumentiere ich hier also die Genese meines Lieblingsbackwerks. Zwei Tage sollten schon eingeplant werden, um ein auch nur annähernd befriedigendes  Ergebnis zu erreichen. An Tag 1 wird das Grundgerüst geschaffen, ein Biscuitboden. Etymologisch spannend ist ja, dass „bis coctus“ im Lateinischen doppelt gebacken bedeutet und also ursprünglich das meinte, was wir heute als Zwieback kennen. Erst im Laufe der Zeit wurde daraus das luftigleichte Eiergebäck, wie wir es nun benötigen.

Wie immer ist die Frische und die Qualität der Zutaten ausschlaggebend. Am besten also vier nestwarme Eier trennen, zu den Eigelben reichlich vanillisierten Zucker geben und ausdauernd cremig rühren. Der Herr Bocuse behauptet im „La cuisine du marché“ bei den Empfehlungen zur Zubereitung des „Biscuit de Savoie“, dass sich das Volumen unbedingt verdreifachen müsse. Das hat den Vorteil, das man sich das Fitnesstraining spart. Auf jeden Fall ist wichtig, dass sich die Zuckerkristalle völlig aufgelöst haben. Dann aus dem Weißen festesten Schnee schlagen. Mit einer Prise Salz und einem Schwung Zucker verfeinern. Ungefähr 150 g Mehl in die Creme sieben (Sicherheitsfanatiker geben auch noch etwas Backpulver hinzu, was wiederum Menschen wie den erwähnten französischen Meister um den Verstand brächte) und mit der Hälfte des Eischnees wenige Augenblicke verrühren. Die andere Hälfte feinfühlig unterheben und alles in eine 26-cm-Springform füllen und bei 180° 25 Minuten backen. Wiederum sollte sich beim Ändern des Aggregatzustand das Volumen verdreifachen. Aus der Form lösen und sich auf den nächsten Sonnenaufgang freuen.

Ist der erlebt, wird Pudding gekocht. Natürlich nicht solcher vom Dr. aus Bielefeld, sondern handgemacht. Benötigt wird ein knapper Liter Milch und ein halbes Dutzend Eigelbe, Zucker, Stärke und das Mark einer Vanilleschote.  Während die Milch erhitzt wird, die restlichen Ingredienzien schaumig schlagen. Dann die Milch zugeben, gut verrühren und nochmals erhitzen. Fertig. Zur Weiterverwendung mit Folie abdecken und erkalten lassen. Währenddessen ein Paket beste Butter den entgegengesetzen Weg gehen, also Zimmertemperatur annehmen lassen. Beides, Butter und Pudding, muss notwendig gleich warm sein. Nun mit einem großen Schneebesen zuerst die Butter glatt und dann den Pudding nach und nach unterrühren. Dieser Schritt ist der Bedeutendste: Die Buttercreme kann bei zu großer Temperaturdifferenz gerinnen; Butter und Pudding müssen eine homogene Masse ergeben, ohne zu flüssig zu werden (was geschieht, wenn zuviel Elan eingesetzt wird).

Baukasten Buttercremetorte

Baukasten Buttercremetorte

Nun das Finale: Den Biscuit ganz sanft zweimal teilen. Nun auf die Unterseite ordentlich Creme verteilen, mit der nächsten Scheibe bedecken und solches wiederholen. Obenauf großzügig Buttercreme, glattstreichen und evtentuell mittels Einsatz eines Spritzbeutels ornamentell kreativ werden. Wer Schnickschnack braucht, spart ihn sich dennoch. Wenn’s gar nicht anders geht, sei es erlaubt, Gelee von schwarzen Johannisbeeren auf die Böden zu streichen, aber sparsam. Butter und Vanillearomen sollen dominant bleiben.


4 Kommentare on “Buttercremetorte, altmodisch”

  1. Lakritze sagt:

    Das klingt puristisch. Genau das Richtige für mich. Kommt auf meine Agenda!

  2. azestoru sagt:

    Das hört sich nach einer gänzlich unzeitgemäßen Leckerei an. Toll! 🙂

    Der von mir vorgestellte Biscuit wurde nicht so groß beim Backen wie hier beschrieben. Ich werde die hier vorgestellte Variante auch mal versuchen, um zu vergleichen. Beim Vorhandensein einer Küchenmaschine ist meine Variante ohne das Eiertrennen natürlich was für Faule. Und ein Topf weniger dreckig ist nachher auch. Aber dennoch muß ich dies hier unbedingt mal probieren!

  3. utecht sagt:

    @Lakritze
    Wenig ist nicht immer mehr – aber oftmals genug. Also singen wir dem Purismus ein Loblied. Und der Komplexität des Einfachen…
    @azestoru
    Aus der Zeit gefallen, tatsächlich. No Schnickschnack, never.
    Und heute geht es in die Brombeeren – dazu Deinen Biskuit und der Sonntagskaffee ist gerettet.

  4. vilmoskörte sagt:

    Kein Kindergeburtstag war ohne Buttercremetorte und Kellerkuchen (so hieß bei uns der Kalte Hund, der bis zum Anschnitt im kühlen Keller stand), die Fettsäuren darin waren mindestens wo gesättigt wie wir Kinder hinterher.


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